Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung
Nr. 2025-2
(08.06.2025)
Liebe
Leser:innen,
dieser
Interreligiöse Rundbrief war eigentlich nur als Interreligiöse Weiterleitung
gedacht, um auf ein paar Radiobeiträge aufmerksam zu machen. Aber dann wurde
doch ein kleiner Rundbrief daraus:
Gestern
Abend besuchten wir einen Pfingstgottesdienst in der St. Kastor-Basilika in
Koblenz, der aus dem 9. Jh. stammenden ältesten Kirche der heutigen Stadt. Der aus
Indien stammende Priester sagte, wir Deutschen hätten es gut, denn Pfingsten
sei für uns ein so entspanntes Fest. Anders als bei Weihnachten und Ostern gebe
es keine stressigen Vorbereitungen und auch keinen Stress beim Feiern selbst.
Und wir hätten zwei Feiertage, so wie bei Weihnachten und Ostern auch. In
seinem Heimatland gebe es das nicht. Wir Deutsche sollten es mal sagen lassen,
wie gut wir es hätten.
Vorletzten
Donnerstag, an Christi Himmelfahrt gab es einen Tag-für-Tag-Beitrag im
Deutschlandradio, in welchem Argumente für und gegen christliche und andere
religiöse und weltanschauliche Feiertage ausgetauscht wurden. Die Sendung halte
ich für sehr empfehlenswert für die eigene Meinungsbildung: https://www.deutschlandfunk.de/religion-im-kalender-haben-christliche-feiertage-ein-zukunft-100.html
Heute
beim Geistlichen Wort auf WDR 5 gibt es einen ebenfalls interessanten Beitrag
über Pfingsten als Fest der Kommunikation. Davon finde ich leider keinen
Podcast.
Aber
auch bei „Diesseits von Eden“ wurden Pfingsten und das Opferfest thematisiert,
und über letzteres gab es dabei ein sehr interessantes Interview mit Mouhanad
Khorchide. Vor Jahren habe ich mal unabhängig voneinander in zwei Moscheen
gefragt, ob man am Opferfest unbedingt Tiere opfern müsse. In der einen Moschee
erhielt ich zur Antwort, dass man auf jeden Fall Tiere opfern müsse, während es
in der anderen Moschee hieß, man könne auch pflanzliche Nahrung opfern oder
Geld. Dieser Frage geht auch Mouhanad Khorchide nach. Hören Sie selbst: https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-diesseits-von-eden/audio-gott-braucht-kein-blut-100.html.
(Hier ist die ganze Sendung: https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/diesseits-von-eden/index.html)
Als
ich neulich einen Vortrag über Abraham und seine Bedeutung in den nach ihm
benannten abrahamitischen Religionen hielt, äußerte ich mich skeptisch darüber,
ob Abraham für den interreligiösen Dialog als Vorbild gelten könne. Die
Beantwortung der Frage hängt von der Deutung ab, also der Interpretation. Und
um solche kümmern sich die Theologien der Religionen, wobei ich denke, dass es
nicht gut wäre, würden alle Theolog:innen zu denselben Interpretationen kommen.
Denn die Wahrscheinlichkeit, dass diese eine einzige Deutung falsch wäre, halte
ich für höher als die, dass bei mehreren verschiedenen alle falsch sind. Diese
Einsicht hatte ich auch neulich in einem Gespräch mit Samiddhi, dem
buddhistischen Mönch vom Samadhi e.V. in Bonn, über die Deutung von Geboten und
Verboten. Er meinte, man müsse immer die historische Entstehung von Geboten und
Verboten berücksichtigen und bei der Übertragung in unsere Lebenssituation ganz
vorsichtig sein. Das nennt man ja ein historisch-kritisches Vorgehen. Khorchide
macht es genauso. Kontextuelle Theologie nannte Hans Waldenfels es, bei dem ich
in den 1990ern als Nebenfach römisch-katholische Fundamentaltheologie studiert
habe. Auch auf diese Weise findet man nicht die eine und einzig wahre
theologische oder buddhologische Interpretation, aber man weiß das dann auch.
Und so kann man offen miteinander im Gespräch bleiben. Da wären wir wieder bei
Pfingsten als Fest der Kommunikation.
Herzliche Pfingst- und Opferfestgrüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel