Montag, November 24, 2008

Interreligiöser Rundbrief Nr. 131 - 2. Nachtrag

Interreligiöser Rundbrief für (Köln/)Bonn und Umgebung Nr. 131 - 2. Nachtrag
(24.11.2008)


Liebe Leserinnen und Leser,

es kamen noch ein paar kurzfristige Ankündigungen, die ich Euch/Ihnen hier weiter gebe. Aber jede Woche kann ich das nicht tun!

Inhaltsverzeichnis:

1.) Film: „Buddhistische Stille“ in der Brotfabrik in Bonn-Beuel 1
2.) Infoveranstaltung zum Bau der neuen Al Muhajitin-Moschee in Bonn am 26.11.2008. 1
3.) Christlich-muslimische Jugendkonferenz am 27.11.2008 in Bonn. 3
4.) 3. Bonner Kirchennacht am 28.11.2008. 4
5.) neben dem markt: Johannes Brosseder : Das kirchliche Amt. Ein ökumenisches Dilemma am 5.12.2008 in Bonn-Pützchen 4


*

1.) Film: „Buddhistische Stille“ in der Brotfabrik in Bonn-Beuel

Ich habe mir den Film gestern angesehen, und da war auch die Regisseurin zugegen. Er läuft heute noch mal um 19 Uhr. www.brotfabrik-bonn.de

Es handelt sich um eine Dokumentation auf der Grundlage von neun Interviews mit Buddhistinnen und Buddhisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und einem mit dem Dalai Lama. Man bekommt einen schönen Einblick in die Motive und Erfahrungen der interviewten Menschen, und so in den westlichen Buddhismus.


*

2.) Infoveranstaltung zum Bau der neuen Al Muhajitin-Moschee in Bonn am 26.11.2008

von Coletta Manemann, Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie wissen, ist die Moscheegemeinde Al Muhajirin seit über zwei Jahren auf der Suche nach einem geeigneten Standort für eine neue Moschee. Nachdem die Stadt Bonn verschiedene Grundstücke als geeignete Standorte vorgeschlagen hatte, hat Al Muhajirin immer wieder hervorgehoben, dass der Standort Brühler Str. 28 am ehesten geeignet und realisierbar sei. Da sich nun abzeichnet – natürlich vorbehaltlich der Zustimmung der Ausschüsse und des Rates – dass das Grundstück Brühler Str. 28 der Moscheegemeinde möglicherweise angeboten werden kann und das Vorhaben bereits öffentlich diskutiert wird, möchte Al Muhajirin insbesondere der Nachbarschaft und den interessierten Bürgerinnen und Bürger im Stadtteil die Moscheegemeinde vorstellen und über die geplante neue Moschee informieren und bietet dazu am 26.11.2008 eine erste Gelegenheit. Die Ev. Apostelkirche stellt freundlicherweise ihren Gemeindesaal zur Verfügung, Pfarrer Hentschel wird die Veranstaltung moderieren. Die Stadt Bonn wird ebenfalls vertreten sein.

Auf diese Veranstaltung, zu der Al Muhajirin gemeinsam mit dem Rat der Muslime einlädt, weise ich mit dem beigefügten Flyer gerne hin.

Mit freundlichen Grüßen,

Coletta Manemann
Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn
Stabsstelle Integration
Altes Rathaus/Markt
53111 Bonn
Tel. 0228/773101
Fax 0228/773215
E-Mail: integrationsbeauftragte@bonn.de

Der Inhalt des Flyers:

Al-Muhajirin Moschee e.V. und der Rat der Muslime in Bonn laden herzlich ein

Al-Muhajirin Moschee e.V. Rat der Muslime in Bonn

Informationsveranstaltung am 26.11.2008
zum möglichen Standort einer Moschee
auf der Brühler Straße - Tannenbusch


Termin: Mittwoch, 26.11.2008, 20.00 Uhr
Ort: Ev. Gemeindehaus an der Apostelkirche,
Lievelingsweg 162a, 53119 Bonn

Der Verein „Al-Muhajirin Moschee e.V.“ und der „Rat der
Muslime in Bonn“ laden Sie herzlich zu einem ersten Informationsabend
zum Thema Moscheebau ein. Im Mittelpunkt
der Veranstaltung steht die Vorstellung des Moscheevereins,
Informationen zum beabsichtigten Bauvorhaben und
dessen Nutzung.
Seit mehr als 2 Jahren ist der Moscheeverein auf der
Suche nach einem Standort für eine Moschee, die sowohl
den Bedürfnissen der Moscheebesucher gerecht wird als
auch die Belange der Nachbarn berücksichtigt. Dabei tritt
zu Tage, dass häufi g über die Funktion einer Moschee
als Gebetshaus und Ort des religiösen und sozialen Austauschs,
ein unzureichendes, hier und da aber auch ein
verzehrtes Bild vorherrscht. Ziel der Veranstaltung ist es
daher, über die Vorstellungen des Moscheevereins zum
Bau- und Nutzungsvorhaben auf der „Brühler Strasse 28“
zu informieren.
Neben dem Informationsangebot zu Themen wie Parkplätze,
Verkehrsaufkommen, Lautstärke sowie dem Ablauf
des religiösen Betriebs einer Moschee, wird ausführlich
Gelegenheit zu Fragen und Anmerkungen bestehen.
Wir freuen uns über Ihr Kommen!

Anfahrt
Mit dem Bus:
Linie 620, Haltestelle Berta-Lungstras-
Straße, An der Düne
Mit der U-Bahn:
Linie 18/68, Haltestelle Brühler Straße,
Soennecken-Str., Lievelingsweg
Mit dem Auto:
Stadtautobahn (A 565)
aus Richtung Koblenz:
Abfahrt Bonn-Tannenbusch, links auf
den „Lievelingsweg“, hinter der Kreuzung
1. rechts in die Straße „An der
Düne“, dort nach 50 Meter links
aus Richtung Beuel (Nordbrücke):
Abfahrt Bonn/Bonn-Tannenbusch,
Richtung Bonn einfädeln,
Am großen Verteilerkreis erste raus
(„Tannenbusch“) Lievelingsweg, nach
der dritten Ampel kleine Straße rechts
in „An der Düne“, nach 50 Meter links
Parkplatz

*

3.) Christlich-muslimische Jugendkonferenz am 27.11.2008 in Bonn

von Winfried Semmler-Koddenbrock:

Liebe Mitglieder des AK Muslime und Christen im Bonner Norden, liebe Vorstände der Moscheen, liebe Interessierte,

ich lade Sie hiermit zu einer von Muslimen und Christen vorbereiteten Veranstaltung ein: Die Jugendkonferenz „Gewalt ist eine Lösung ?!“ richtet sich v.a. an Jugendliche selbst - Jugendliche zeigen, wie sie Gewalt erleben - und sucht das Gespräch mit Fachleuten und anderen Erwachsenen. Donnerstag, 27.11.08, 17.-20 Uhr, Ev. Lukaskirchengemeinde. Alle Infos im angehängten Flyer. Nach dem Erfolg der ersten Konferenz im April packen wir nun das nächste heiße Thema an.

Vielleicht können Sie das beigefügte Plakat bei sich aushängen.

Viele Grüße

Winfried Semmler-Koddenbrock

+

(Die PDF-Datei mit Programm und Anfahrtsskizze kann bei mir oder Winfried Semmler-Koddenbrock angefordert werden. Leider kann ich den Inhalt hier nicht hinein kopieren; MAS)




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4.) 3. Bonner Kirchennacht am 28.11.2008

Am 28.11.2008 haben viele römisch-katholische und evangelische Kirchen und auch die altkatholische Kirche in Bonn von 20 bis 24 Uhr ihre Tore geöffnet und bieten ein vielseitiges Programm an.
Mehr hier: www.BonnerKirchenNacht.de

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5.) neben dem markt: Johannes Brosseder : Das kirchliche Amt. Ein ökumenisches Dilemma am 5.12.2008 in Bonn-Pützchen

von Michael Halbfas:


Wir laden herzlich ein zur nächsten Veranstaltung im Rahmen des Forums



n e b e n d e m m a r k t




Professor Dr. Johannes Brosseder
(Köln)


Das kirchliche Amt
Ein ökumenisches Dilemma





Mittwoch, den 03. Dezember 2008, 19:30 Uhr
Karmeliterstraße 1
Bonn-Pützchen
Bushaltestelle Pützchen Kirche
(Linien 624, 628, 634)


Es laden ein:
M.Halbfas P.Petzel H.R.Schlette









*

So das war es für diese Woche.

Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Montag, November 17, 2008

Interreligiöser Rundbrief Nr. 131 - 1. Nachtrag

Interreligiöser Rundbrief für (Köln/)Bonn und Umgebung Nr. 131 - 1. Nachtrag
(17.11.2008)


Liebe Leserinnen und Leser,

ich habe hier noch einen Hinweis auf eine Veranstaltung heute Abend in Bonn-Auerberg:

von Pfarrer Michael Schäfer:

Abraham eint und trennt!!

Ein interreligiöser Abend im
Ev. Gemeindeforum – Auerberg, Helsinkistrasse 4,
Montag, 17. November 2008, 20.00 Uhr

Referenten:
Mokhtar Benounne (Islamwissenschaftler)
Prof. Dr. Günter Röhser (Ev. Theologe)
Pfr. Michael Schäfer

Moderation:
Dr. Beate Sträter
Der Eintritt ist frei

*

Herzliche Grüße,
Ihr Michael A. Schmiedel

Dienstag, November 11, 2008

Interreligiöser Rundbrief Nr. 131

Memento mori et carpe diem!
Gedenke des Todes und pflücke den Tag!
römische Weisheiten

Interreligiöser Rundbrief für (Köln/)Bonn und Umgebung Nr. 131
(10.11.2008)


Editorial 2
I.) Veranstaltungshinweise / Termine.. 3
I.1.) Veranstaltungen unter Mitwirkung von Religions for Peace Köln/Bonn. 3
I.1.a) Schweigen für Frieden und Gerechtigkeit in Bonn am 4.12.2008. 3
I.1.b.) Interreligiöser Gesprächskreis in Bonn am 4.12.2008. 3
I.2.) Veranstaltungen des Bonner Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen BIM e.V. und der Evangelischen Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn / Integrationsagentur 5
I.2.a.) Die 5. Bonner Woche der Kulturen vom 20. bis zum 01.12.2008. 5
I.3.) Vortrag von mir: Hinduismus – Einführung in die Religion Indiens am 19.11.2008 in der VHS Bornheim-Alfter 6
I.5.) Ausstellung "Gandhara - Das buddhistische Erbe Pakistans. Legenden, Klöster und Paradiese" ab 20.11.2008 in der KAH in Bonn 6
II.) Gemischtes. 7
II.1.) Neuer Verein: Sinnsucher. Netzwerk für psychozoziale Entwicklung. 7
II.2.) Muslime gegen Homophobie. 7
II.3.) Koranforschung. 10
II.4.) Kurskonzept zum Verhältnis von Religionen und Menschenrechten. 18
II.5.) Neuer Studiengang "Medien - Ethik - Religion" an der Uni Erlangen. 20
III.) Literaturtipps. 21
III.1.) Michael Blume und Rüdiger Vaas: "Gott, Gene und Gehirn - Warum Glaube nützt. Die Evolution der Religiosität". 21
III.2.) Heinrich Schäfer: Kampf der Fundamentalismen. Radikaler Islam, radikales Christentum und Europas Moderne. 22
III.3.) Neue Online-Fachzeitschrift: "Transformierte Buddhismen“. 26
III.4.) Neue Online-Fachzeitschrift: „Bayreuther Beiträge zur religiösen Gegenwartskultur“. 27
IV.) Berichte von besuchten Veranstaltungen und andere Texte von mir 28
IV.1.) Nachbarschaft im Islam und Christentum - Veranstaltung in der Moschee An der Esche am Tag der offenen Moschee in Bonn 28
IV.2.) "Absender Islam: Ein Brief an die christliche Welt. Öffentlicher Vortrag und Podiumsdiskussion zum 1. Jahrestag der Veröffentlichung 'A common word between us and you'" am 13.10.2008 in der Uni Bonn. 30
IV.3.) Gemeinsam auf dem Friedensweg – 25 Jahre Dialog der Religionen in Witten – am 18.10.2008 33
IV.4.) Hinweis auf andere Texte auf der Migrapolis-Deutschland-Seite. 34
IV.5.) Gedanken zum 70. Jahrestag der Reichkristallnacht 35
V.) off-topic: Musikrezensionen.. 36
V.1.) Festivalbericht: 18. TFF Rudolstadt vom 4. bis 6.7.2008 in Rudolstadt 36
V.2.) Konzertrezension: The McDates am 02.08.2008 auf dem Marktplatz in Bonn. 41
V.3.) Hier gehörten eigentlich noch Rezis über die Lokal Heroes und eine Band mit karibischer Musik im Parkrestaurant Rheinauen und über Babylon Circus auf dem Bonner Marktplatz hin, aber das habe ich nicht geschafft. Sorry! 42
V.4.) Konzertrezension: Broom Bezzums und Megson am 25.9.2008 beim Folk im Feuerschlösschen im Weinhaus Steinbach in Bad Honnef 42
V.5.) Konzertrezension: Pure Irish Drops – 20-jähriges Jubiläum – am 4.10.2008 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel 43
V.6.) Konzertrezension: 3. Folknacht in der KÜZ mit Foggy Stew und The Aberlour’s in Troisdorf-Sieglar am 17.10.2008 45
V.7.) CD-Rezension: Nicholas Gunn, Johannes Linstead, David Arkensone, Loren Gold. Live. 47
V.8.) CD-Rezension: The Irish Folk Festival. Rainbow Expedition. 48
V.9.) CD-Rezension: Karan Casey. ships in the forest 49
VI.) Und noch’n Gedicht. 50
Abendruf 50

***

Editorial


Liebe Leserinnen und Leser,

zunächst möchte ich um Entschuldigung dafür bitten, dass ich die interkulturelle Woche in Köln nicht angekündigt hatte. Das war keine Absicht, aber als ich endlich daran dachte, selber mal zu recherchieren, wann die denn genau statt findet, war sie schon halb vorbei und vom BIM-Büro, wo ich arbeite, habe ich nicht die Möglichkeit, den ganzen Verteiler des Interreligiösen Rundbriefes mal eben schnell zu versorgen. Sie war also in der letzten Woche, inklusive dem Gebet der Religionen und vielen anderen religiösen und interreligiösen Veranstaltungen. Das Programm stand im Internet und ich habe es am Donnerstag noch schnell auf http://www.migrapolis-deutschland.de/ à Kultur verlinkt, aber da war es schon zu spät für die meisten Veranstaltungen. Und ich, das muss ich auch zugeben, habe mich schon geärgert, warum denn niemand aus Köln mich mal darüber informierte, außer Werner Heidenreich, der das Datum des Gebets der Religionen aber auch nicht im Kopf hatte und Thomas Lemmen, der auf ein christlich-muslimisches Fußballspiel aufmerksam machte, aber auch sonst nichts wusste. Und dabei sind einige der Veranstalter sogar im Verteiler des Interrel. Rundbriefes.

Ich sehe, dass es sehr schwer ist, Köln so richtig mit im Blick zu haben, hier von Bonn aus, und überlege, ob die den Namen Köln aus dem Rundbriefnamen streiche, damit nicht Erewartungen geweckt werden, die ich nicht erfüllen kann. Kölner Termine können ja trotzdem drin vorkommen, aber es nähme mir die Verantwortung, Köln genau so im Blick zu haben wie Bonn. So mache ich es im Folkigen Rundbrief ja auch. Oder aber Leser(innen), die in Köln wohnen denken mit und schicken mir ihre Termine zu. Das wäre dann noch besser. Aber bitte jeweils ein paar Wochen im Voraus, damit ich nicht jede Woche einen Rundbrief rund schicken muss.

Ich möchte nun aber auch gerne in dieser Runde bekannt geben, dass ich einen neuen Job habe, und zwar beim BIM, also dem Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen BIM e.V, .als Projektleiter von „Stimme werden, Gesicht zeigen“, einem Projekt, das Migranten vornehmlich aus Nicht-EU-Staaten helfen soll, sich hier in unserer Gesellschaft zu Wort zu melden. Die Internetseite http://www.migrapolis-deutschland.de/ ist ein Teil dieses Projektes. Dort dürfen sich aber auch andere zu Wort melden, so auch ich selber.

Wer gerne Berichte, Kommentare und so weiter von mir und anderen liest, findet diese nun auch schon bei http://www.migrapolis-deutschland.de/. Da stelle ich sie immer rein, sobald sie geschrieben sind, so dass sie zeitnäher an der beschriebenen Veranstaltung gelesen werden können. In den je nächsten Rundbrief kommen sie dann aber zusätzlich rein. Auf der besagten Internetseite finden Sie aber auch viele anderen Themen von mehreren Autorinnen und Autoren, und überdies ist jeder und jede eingeladen, sich zu beteiligen. Und schwebt es vor, die Seite zu einer multikulturellen und interreligiösen Plattform des Austausches zu machen, so dass Schreiber und Leser mit und ohne Migrationshintergrund miteinander ins Gespräch kommen und sich gegenseitig kennen lernen können.

Nun wünsche ich aber ein interessante und erbauliche Lektüre dieses Rundbriefes.

MAS

*

I.) Veranstaltungshinweise / Termine

I.1.) Veranstaltungen unter Mitwirkung von Religions for Peace Köln/Bonn


I.1.a) Schweigen für Frieden und Gerechtigkeit in Bonn am 4.12.2008

Wir gewohnt findet an jedem 1. Donnerstag im Monat das Schweigen für Frieden und Gerechtigkeit von 17.30 bis 17.45 Uhr auf dem Bonner Münsterplatz statt.
Es sind alle Interessierten eingeladen, sich für die 15 Minuten dazu zu stellen.


*
I.1.b.) Interreligiöser Gesprächskreis in Bonn am 4.12.2008

Zum interreligiösen Gesprächkreis sind wieder alle eingeladen, die sich mit anderen Menschen mit unterschiedlicher religiösen Überzeugungen und Identitäten über Fragen des Glaubens und der religiösen/spirituellen Praxis austauschen wollen.
Er findet wie immer statt von 19.30-21.30 Uhr bei Lioba von Lovenberg, Argelanderstr. 6, 53115 Bonn.
Thema: Wie wichtig ist der eigene Standpunkt im interreligiösen Dialog?

Kleine Rückschau auf den letzten Gesprächskreis am 21.10.2008
Ausnahmsweise trafen wir uns mal an einem anderen Wochentag und nicht in der ersten Woche des Monats. Wir sprachen über den Film „What the bleep do we (k)now?“ In diesem Film geht es um die Abhängigkeit der Welt von der Weise, wie wir sie betrachten. Zwei Eindrücke nannten die Gesprächsteilnehmer(innen) besonders. Zum einen sensibilisierte der Film für die Erfahrung, dass unsere je subjektive Sichtweise die Welt für uns so sein lässt, wie sie ist. Ein Gesprächsteilnehmer sagte, er habe durch den Film gelernt, unabhängiger von den Beurteilungen anderer Menschen, besonders seines Chefs zu werden. Diese neue Freiheit habe ihn wenige anfällig für Mobbing gemacht und zum Teil dann auch das Verhalten seines Chefs verändert. Letzteres spielt auch schon in den zweiten Eindruck mit herein, nämlich den, dass sich mit der Änderung unserer Sichtweisen auch die betrachteten Objekte verändern, insofern diese auf unsere Aktionen reagieren. Somit gibt es keine letztliche Subjekt-Objekt- oder Aktion-Reaktion-Trennung, sondern statt dessen eine Vernetzung aller Perspektiven und Wirkungen. Daraus rekrutiert sich ein Mehr an Freiheit, aber auch ein Mehr an Verantwortung.
Allerdings kamen wir auch zum Schluss, den Film noch mal sehen zu wollen.

Für die, die jetzt gar nicht wissen, um was für einen Film es sich handelt, gebe ich hier noch mal die Rezension des Buches zum Film wieder, die ich im Interrel. Rundbrief. Nr. 120 am 11.04.2006 rundgeschickt hatte:

What the bleep do we (k)now!? – Ich weiß, dass ich nichts weiß! Und: Das kleine Buch der „Bleeps“.

von Traudel Reiß:


Was ist Realität und wie können wir diese bewusst verändern und neu erschaffen? Haben wir überhaupt Einfluss auf das, was uns passiert, oder sind wir Opfer der Umstände? Was sind Emotionen und Gedanken? Und warum verändert sich nicht wirklich etwas? Diesen und weiteren Fragen gehen in dem Film vierzehn Wissenschaftler und Dozenten anhand der Erkenntnisse aus den verschiedenen Fachgebieten – von der Quantenphysik über die Gehirnforschung bis hin zur Neurophysiologie – nach. Bei der Beantwortung der Fragen verwischen im Verlauf des Films die Grenzen zwischen Wissenschaft und Spiritualität. Die Animationen im Film greifen einige komplexe Themenbereiche auf, vermitteln diese auf anschauliche Weise, verstärken so die wissenschaftlichen Aussagen des Films und bringen auf den Punkt, wie wir die Realität unserer menschlichen Erfahrung verändern können. Interviews, Spielszenen und Animationen wechseln einander ab.

Das Buch zum Film (Das kleine Buch der „Bleeps“, J. Kamphausen Verlag 2006, Paperback, durchgängig vierfarbig, 160 Seiten, ISBN 3-89901-083-3, Euro 10,00) enthält inspirierende Zitate aus dem Film, die mit Originalszenen illustriert sind. „Statt zu denken, dass Dinge Dinge sind, habt ihr euch angewöhnt zu denken, dass alles um uns herum bereits ein Ding ist, das ohne meinen Input, ohne meine Wahl existiert. Diese Denkweise muss man sich abgewöhnen … Stattdessen muss man erkennen, dass selbst die materielle Welt um uns nichts anderes als mögliche Bewegungen des Bewusstseins sind. Und ich treffe in jedem Moment eine Auswahl aus diesen Bewegungen, um meine tatsächliche Erfahrung zu manifestieren. So radikal muss man denken. Aber es ist so radikal, so schwierig, weil wir dazu tendieren, dass die Welt schon unabhängig von unserer Erfahrung da draußen existiert. Aber das tut sie nicht. Die Quantenphysik hat das klar herausgestellt. Heisenberg, der Mitentdecker der Quantenphysik, sagte, dass Atome keine Dinge, sondern nur Tendenzen seien. Anstatt in Dingen muss man also in Möglichkeiten denken. Es sind alles Möglichkeiten des Bewusstseins“ so Amit Goswami, Ph. D. (S. 30). In dem Buch sind die wichtigsten Aussagen des Films enthalten, die durch wiederholtes Lesen einen Paradigmenwechsel fördern.
Traudel Reiß

(Erstveröffentlichung dieser Rezension in Buddhismus aktuell 2/2006, S. 80, hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion wiedergegeben.)

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I.2.) Veranstaltungen des Bonner Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen BIM e.V. und der Evangelischen Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn / Integrationsagentur

I.2.a.) Die 5. Bonner Woche der Kulturen vom 20. bis zum 01.12.2008

Lesung – Dialog – Begegnung

Der Leiter der Ev. Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn / Integrationsagentur und Vorsitzende des Bonner Insitutes für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen e.V. Dr. Hıdır Çelik lädt zur 5. Bonner Woche der Kulturen ein. Das Programm beginnt er mit den Worten:
"Offenheit und Akzeptanz sind die Grundlage dafür, dass sich Bonner Bürgerinnen und Bürger wie auch die vielen internationalen Gäste aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien in unserer Stadt zu Hause fühlen.Gelungenes Zusammenleben, bei dem die Neugier auf Unbekanntes die Angst vor Fremdem übertrifft, braucht Räume der Begegnung, in denen Interkulturalität gelebt und erfahren werden kann.Die fünfte Bonner Woche der Kulturen will solche Räume schaffen und lädt Sie zur interkulturellen Begegnung ein.Wir laden Sie besonders herzlich ein zur Eröffnungsveranstaltung am 20. November im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und feuen uns auf spannende Gespräche, Stand-Up-Comedy und Tanz.“

Eröffnung 20.11.2008 18 Uhr im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

Hier finden Sie das gesamte Programm als PDF-Datei:
http://www.migrapolis-deutschland.de/fileadmin/Dokumente/Startseite/bonner_woche_der_kulturen_2008_neu.pdf
Oder über den Link auf der Startseite von http://www.migrapolis-deutschland.de/.

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I.3.) Vortrag von mir: Hinduismus – Einführung in die Religion Indiens am 19.11.2008 in der VHS Bornheim-Alfter

Hinduismus - Einführung in die Religion Indiens am 19.11.2008 in der VHS Bornheim-Alfter
Hinduismus - Einführung in die Religion IndiensKursnummer: R10901 Veranstaltungsart: VortragTermin / Uhrzeit: Mi. 19.11.2008, 19:30 - 21:30 Dauer: 1 mal, 2 UnterrichtsstundenDozent/in: Michael A. SchmiedelOrt: Roisdorf Neues VHS-GebäudeGebühren: gebührenfreiDer Hinduismus ist eine Religion voller Widersprüche, ja eigentlich ist er gar keine Religion, sondern eine Gruppe von Religionen mit einigen Gemeinsamkeiten. Es werden eine Vielzahl von Gottheiten verehrt, aber nicht jeder Hindu verehrt die selben. Nach traditionellem Verständnis kann man nicht Hindu werden, es sei denn durch Wiedergeburt als solcher. Aber dennoch gibt es auch hinduistische Mission. Einige Hindus genießen ihren Reichtum als Folge guten Karmas in früheren Leben, andere geben sich alle erdenkliche Mühe, sich von allen weltlichen Besitztümern zu lösen und leben als asketische Yogis in der Wildnis. Die Heiligsten Schriften der Hindus sind die Veden, aber in der heutigen Frömmigkeit spielen sie im Vergleich zu Ramayana und Mahabharata und besonders zur Bhagavadgita eine untergeordnete Rolle. Das hinduistische Kastensystem ist weltweit als Symbol einer menschenunwürdigen Ständegesellschaft verschrien, aber der weltweit verehrte Mahatma Gandhi hat es nie gänzlich abgelehnt. Manche sagen, der Buddha habe es abgelehnt und deshalb gehöre der Buddhismus nicht mehr zum Hinduismus. Aber ist das der einzige Unterschied zwischen diesen beiden indischen Religionen?Der Vortrag gibt einen Einblick in und Grundinformationen über das hinduistische Religionssystem, wenn er letztlich wohl auch mehr Fragehorizonte eröffnen als Fragen beantworten wird.Mehr Infos:http://www.vhs-bornheim-alfter.de/programm/109000000_109010000_R3.html

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I.5.) Ausstellung "Gandhara - Das buddhistische Erbe Pakistans. Legenden, Klöster und Paradiese" ab 20.11.2008 in der KAH in Bonn

von Monica Ferreira-Guedes von der KAH über den DBU-Verteiler:

Sehr geehrte Damen und Herren, anbei senden wir Ihnen die Vorankündigung zur kommenden Ausstellung "Gandhara - Das buddhistische Erbe Pakistans. Legenden, Klöster und Paradiese", die am 20. November in der Bundeskunsthalle eröffnet wird, sowie die Jahresvorschau 2009. Pressebilder zu den Ausstellungen finden Sie unter www.bundeskunsthalle.de, im Pressebereich. Mit freundlichen Grüßen i.A.Monica Ferreira-GuedesAssistentin PressesprecherinAssistant Press OfficerKunst -und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbHArt and Exhibition Hall of the Federal Republic of GermanyFriedrich-Ebert-Allee 4D-53113 BonnTel. 0049 (0)228 9171 204Fax 0049 (0)228 9171 211http://www.bundeskunsthalle.deGeschäftsführer: Dr. Christoph Vitali, Dr. Bernhard Spies Vorsitzende des Kuratoriums: Ministerialdirektorin Dr. Ingeborg Berggreen-MerkelHRB Nr. 5096, Amtsgericht Bonn / Umsatzsteuer ID Nr. DE811386971

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II.) Gemischtes

II.1.) Neuer Verein: Sinnsucher. Netzwerk für psychozoziale Entwicklung.

Ich habe es mir noch nicht näher angesehen, nur gesehen, dass Yesche Udo Regel und Angelika Wild-Regel dabei sind, so dass kein Humbuk sein dürfte.
Schauen Sie selbst, , : http://www.sinnsucher.net./

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II.2.) Muslime gegen Homophobie

von Andreas Ismali Mohr :

Gruß

a. ismail mohr

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Muslime gegen Homophobie


Dokumentation und Stellungnahme

Mehrere muslimische Gruppierungen, darunter DiTiB (Diyanet is,leri Türk islam Birligi [Türkisch-islamische Union für Religionsangelegenheiten]), der Deutschsprachige Muslimkreis (DMK) sowie die Muslimische Jugend Deutschland (MJ), haben sich gegen Homophobie ausgesprochen.
(Zur Bedeutung des Begriffs: Homophobie bedeutet 1. krankhafte Angst vor Homosexualität und homosexuellen Frauen und Männern; 2. Feindseligkeit und Hass gegenüber homosexuellen Frauen und Männern.)

Es heißt in der Erklärung der muslimischen Gruppierungen: „Auch wenn wir Homosexualität als solche nicht gutheißen, verurteilen wir jegliche Form der Verfolgung oder gar Gewaltanwendung gegen Homosexuelle. Wir wenden uns entschieden gegen jegliche Form der Diskriminierung und Verfolgung irgendwelcher gesellschaftlicher Gruppen einschließlich der Homosexuellen.“


Bei meiner Recherche auf den Internetseiten der drei oben genannten Organisationen ( http://www.ditib.de -- http://www.dmk-berlin.de – http://www.mj-net.de ) konnte ich jedoch nichts dazu zu finden. Ich verstehe nicht, warum die unterzeichnenden muslimischen Gruppierungen ihre eigene Erklärung nicht auf ihren eigenen Internetseiten veröffentlicht haben. Mich erreichte die Stellungnahme am 1. Oktober 2008 vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD, http://www.lsvd.de). Die Muslimische Jugend Deutschland hat inzwischen bestätigt, dass die Erklärung von ihr unterstützt wurde.

Ich geben im Folgenden den Wortlaut der Erklärung wieder. Im Anhang nehme ich zu einigen Punkten Stellung.

(Zitat:)

Stellungnahme Berliner Muslimischer Organisationen bzw. Berliner Sektionen Nationaler Verbände zur Homophobie

Im April dieses Jahres ist im arabischsprachigen Anzeigenblatt „Al-Salam“ ein Artikel erschienen, in dem der Autor seine persönlichen und homophoben Ansichten zu Homosexualität und ihren Konsequenzen darlegt. Die Reaktion der Öffentlichkeit auf diesen Artikel war zurecht Empörung und Unverständnis. Auch wenn der Autor nur für sich selbst sprechen kann, entwickelte sich eine breite Debatte über die Einstellung von Muslimen in Deutschland zu Homosexualität.

Ausgehend von den Aussagen des Korans gibt es unter muslimischen Gelehrten den Konsens, dass homosexuelle Handlungen theologisch als Sünde zu betrachten sind. Ähnliches gilt – bekanntlich – auch für das Trinken von Alkohol oder außereheliche Beziehungen. Handlungen, die islamisch-theologisch als Sünde betrachtet werden, können wir aus unseren Glauben heraus nicht gutheißen.

Gleichzeitig sind wir der festen Überzeugung, dass die sexuelle Orientierung, der Konsum von Alkohol, oder was auch immer in der islamischen Theologie als Sünde betrachtet wird, Privatsache ist. Ob wir etwas gutheißen oder nicht, wird und kann die Freiheit des Einzelnen in keiner Weise beschränken. Für uns handelt hier jeder Mensch eigenverantwortlich und wird im Jenseits – dies ist fester Bestandteil unserer islamischen Glaubensvorstellung – vor seinem Schöpfer für sein gesamtes Handeln Rechenschaft ablegen müssen.

Auch wenn wir Homosexualität als solche nicht gutheißen, verurteilen wir jegliche Form der Verfolgung oder gar Gewaltanwendung gegen Homosexuelle. Wir wenden uns entschieden gegen jegliche Form der Diskriminierung und Verfolgung irgendwelcher gesellschaftlicher Gruppen einschließlich der Homosexuellen.

Zum Schluss sei angemerkt, dass in der aktuellen Berichterstattung über den oben genannten Artikel manche Autoren direkt oder auch indirekt die Vorstellung bzw. Aussage kritisieren, dass Homosexualität eine Sünde ist. Hierdurch erwecken sie den Eindruck, dass dies eine Ursache von Homophobie sei. Nicht die Glaubensvorstellung führt zu Homophobie, sondern vielmehr ein mangelndes Verständnis über die Freiheit des Einzelnen. Muslime – und nicht nur sie – wird man für den Kampf für individuelle Freiheit nicht gewinnen können, indem man Glaubens- und Moralvorstellungen kritisiert. Stattdessen erreicht man das Gegenteil. Entscheidend ist vielmehr die Vermittlung eines richtigen Verständnisses für die vielfältige Freiheit des Einzelnen bzw. des Anderen unabhängig von den eigenen Überzeugungen, die jeder Mensch wiederum für sich frei wählen kann.

Deutschsprachiger Muslimkreis (DMK)
DITIB
Inssan
Interkulturelles Zentrum für Dialog und Bildung (IZDB)
Islamisches Kultur- und Erziehungszentrum (IKEZ)
Muslimische Jugend Deutschland
Neuköllner Begegnungsstätte (NBS)

(Zitat Ende.)


Kommentar von mir (Andreas Ismail Mohr) hierzu:

1.
Es ist zu begrüßen, dass muslimische Organisationen klar und eindeutig „jegliche Form der Verfolgung oder gar Gewaltanwendung gegen Homosexuelle“ verurteilen und sich „entschieden gegen jegliche Form der Diskriminierung und Verfolgung irgendwelcher gesellschaftlicher Gruppen einschließlich der Homosexuellen“ wenden.
Bisher durfte man kaum wagen, solches zu erwarten.

2.
Die Stellungnahme stellt einen gewaltigen Fortschritt dar: Im Juli 2000 hat der damalige Vorsitzende des Zentralrats des Muslime in Deutschland (ZMD, www.islam.de), Nadeem Elyas, schriftlich eine ganz und gar homophobe und diskriminierende Aussage über Homosexuelle gemacht als er im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt vom 28. 7. 2000 (Seite 23) in seinem Gastkommentar (Überschrift: „Gegen die Natur. Die Muslime lehnen die Regierungspläne ab“) die schwule und lesbische Lebenspartnerschaft als „Abnorm der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft“ bezeichnete und sie kriminalisierte, indem er sie mit „unrechtmäßigen Erwerb durch Steuerhinterziehung, Korruption und Raub“ verglich. Horst Gorski, Probst des Kirchenkreises Altona in Hamburg, antwortete damals in einem Leserbrief, er sei „intensiv am Dialog mit Muslimen beteiligt. Die beleidigenden Äußerungen über gleichgeschlechtliche Lebensformen von muslimischer Seite werden zunehmend zu einer Belastung des Dialogs. (...) Ungeheuerlich jedoch ist es, Homosexualität auf eine Stufe mit ‘Steuerhinterziehung, Korruption und Raub’ zu stellen. Für diese Verunglimpfung muss Herr Elyas sich entschuldigen.“ Über eine Entschuldigung ist nichts bekannt geworden, sie war auch nicht zu erwarten.
Vor diesem Hintergrund muss die neue Stellungnahme Berliner muslimischer Gruppen in der Tat als ein großer Fortschritt gewertet werden. (Es sei angemerkt, dass der ZMD und DiTiB inzwischen im Koordinationsrat der Muslime [KRM] zusammengeschlossen sind.)

3.
Der in der oben zitierten Stellungnahme ausgedrückten Auffassung, dass man Muslime „für den Kampf für individuelle Freiheit nicht gewinnen können“ wird, „indem man Glaubens- und Moralvorstellungen kritisiert“ darf widersprochen werden. Für viele traditionalistisch eingestellte Muslime, soweit sie sich am normativen Schrifttum muslimischer Gelehrter (z.B. Yusuf al-Qaradawi) orientieren, ist mit der Frage nach Homosexualität ja die Vorstellung verbunden, dass homosexueller Geschlechtsverkehr (jedenfalls unter Männern) ein todeswürdiges Verbrechen sei: So sehen es z.B. die Vertreter der malikitischen, der hanbalitischen und der dja'faritischen Rechtsschule (madh'hab), auch al-Qaradawi lässt an seiner Auffassung diesbezüglich keinen Zweifel. Diese Meinung findet man bereits in einigen dem Propheten Muhammad (sicherlich zu Unrecht) zugeschriebenen Aussagen (ahadith) klar ausgedrückt. Eine solche Bewertung – zunächst des mannmännlichen sexuellen Verkehrs, aber auch der männlichen Homosexualität insgesamt – im Denken mancher (ich vermute: vieler) Muslime reicht nun über eine Glaubensvorstellung weit hinaus in den moralischen Bereich und man darf sagen, dass diese Vorstellung sehr wohl der Feindschaft gegenüber Homosexuellen Vorschub leisten kann, dass also derartige Überlieferungstexte (die erwähnten ahadith) nicht nur an sich homophob sind, sondern bei unkritischer Betrachtungsweise die in der obigen Erklärung abgelehnte „Verfolgung oder gar Gewaltanwendung gegen Homosexuelle“ sowie „Diskriminierung und Verfolgung“ fördern. Dies ist bekanntlich in einigen islamischen Staaten mit islamischem Strafrecht – so in Saudi-Arabien (hanbalitischer madh'hab, s.o.) und Iran (dja'faritischer madh'hab, s.o.) – der Fall: Immer wieder werden in diesen beiden Staaten Männer (im Iran sogar Minderjährige) aufgrund der Anklage wegen Homosexualität hingerichtet. – Ich verweise hier auf meine beiden Aufsätze zur Homosexualität im Islam – geschrieben aus einer aufgeklärten islamischen Perspektive:

*1* Islam und Homosexualität – eine differenzierte Betrachtung * siehe: *
http : // home.arcor.de/yadgar/mohr/islam_homo.html
*2* Ein schwieriges Verhältnis: Homosexualität und Islam. Was sagt der Koran dazu? * siehe: *
http : // home.arcor.de/yadgar/mohr/islam_homo2.html

Dort werden Texte aus dem Koran und Hadith sowie die Auffassungen alter wie moderner muslimischer Schulen und Autoritäten zitiert und erläutert. Außerdem wird gezeigt, dass eine alternative, also homophile Deutung koranischer Aussagen durchaus möglich ist.

Andreas Ismail Mohr

Köln, am 9. Oktober 2008

Homepage von Andreas Ismail Mohr: http://home.arcor.de/yadgar/mohr/mohr.html

*

II.3.) Koranforschung

von Andreas Ismail Mohr

Ein paar Beiträge - in der Hoffnung, dass auch für den Interreligiösen Rundbrief etwas interessantes dabei ist.

Gruß

andreas ismail mohr

* * * *

Koranforschung

Anlässlich der jüngsten Meldungen und Auseinandersetzungen um seriöse und weniger seriöse Islamforschung sende ich euch als 'iid-Geschenk eine Zusammenstellung von Materialien zum CORPUS CORANICUM (CC) - Interviews, (bisherige) Veröffentlichungen zum Thema. Ich möchte hier klar sagen, dass das Projekt Corpus Coranicum in Berlin/Potsdam seriös ist und nichts zu tun hat mit der Saarbrücker Sekte um den nicht-arabischkundigen Professor Ohlig, der die absurde Muhammad=Jesus-Theorie aufgebracht hat und dessen Prophet ein gewisser Herr "Luxenberg" ist (Stichworte "syroaramäische Lesart" und "Trauben statt Paradiesjungfrauen").

Zu Professor Muhammad Kalisch kann ich nur sagen, dass ich seine Auffassung, dass Muhammad nicht existiert habe, für Unsinn halte. Es tut mir leid, dass M. Kalisch einer Art masochistischem Hang zum totalen Zweifel erlegen ist. Ich bin aber solidarisch mit ihm insofern als ich möchte, dass er seine Gedanken frei und auch auf seinem Lehrstuhl und vor muslimischen Studenten vortragen kann. Wirklich schlimm sind für mich all die Leute, die ihn bereits online zur Hölle verdammt haben.

* * *

1. -- Die Homepage des CC

2. -- Interview mit Frau Prof. Angelika Neuwirth über das CC

3. -- "Koran, aber im Kontext -- Eine Replik" von Michael Marx, Angelika Neuwirth und Nicolai Sinai (eine notwendige Antwort auf einen dümmlichen FAZ-Kommentar des FAZ-Hrsg.s Frank Schirrmacher anlässlich der Frankfurter Buchmesse letzten Herbst).

4. -- Link zum Muslimische-Stimmen-Interview mit Michael Marx über das CC [vollständiger Text kommt mit extra E-Mail].

5. -- Buchtipp: Hartwig, Dirk - Homolka, Walter - Marx, Michael J. - Neuwirth, Angelika (Hrsg.): "Im vollen Licht der Geschichte" Die Wissenschaft des Judentums und die Anfänge der kritischen Koranforschung.




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1. Die Homepage des CORPUS CORANICUM (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) ist
http://www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/Coran/de/Startseite


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2. Interview mit Frau Prof. Angelika Neuwirth über das CC - aus: http://www.die-tagespost.com/Archiv/titel_anzeige.asp?ID=40713



„Ich halte nichts von historischen Textkriegen“

Die Tagespost vom 10.06.2008


In Berlin arbeitet eine Forschergruppe gegenwärtig unter dem Titel „Corpus Coranicum“ an einer historisch-kritischen Edition des Koran. Leiterin des Projekts ist die Arabistin und Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth. In einem Interview mit Klaus Nelißen spricht sie über Inhalt und Ziele des Vorhabens, über aktuelle Tendenzen in der Koranforschung sowie über den christlich-islamischen Dialog unter Wissenschaftlern.


* Frau Professor Neuwirth, seit rund einem Jahr arbeiten Sie am „Corpus Coranicum“, einer textkritischen Edition des Koran. Die Feuilletons bescheinigen Ihrem Projekt an der Akademie Berlin-Brandenburg eine gewisse Sprengkraft für die islamische Welt ...

N.: Das ist längst nicht so explosiv, sondern in erster Linie staubtrockene Textforschung. Wenn wir unser Projekt in Ländern wie Iran oder Ägypten vorstellen, sind wir nie auf Proteste gestoßen. Muslimische Gelehrte haben über Jahrhunderte verschiedene Lesarten des Koran kommentiert und erfasst. Da sind wir gar nicht so weit auseinander. Diejenigen, die dahinter gleich einen Affront für die islamische Welt vermuten, unterschätzen den Islam. Sie meinen, Muslime lebten noch in der Steinzeit und schotteten sich gegen alles, was nach Fortschritt aussieht, rigoros ab. Es ist betrüblich, dass sich ein gewisser Kultur-Antiislamismus bei uns immer mehr breit macht.


* Was ist das Ziel ihres Projekts?

N.: Wir werden eine dokumentierte Edition und einen historisch-kritischen Kommentar erstellen. Damit wollen wir den Koran als einen Text wiederentdecken, der sich zuerst noch gar nicht an Muslime richtete, sondern an vorislamische Hörer aus dem Erfahrungshorizont der Spätantike. Sie kannten christliche und jüdische Traditionen. Der Koran fiel also nicht vom Himmel, sondern steht in einem bestimmbaren historischen Kontext. Er markiert auch keinen einschneidenden Bruch mit der von uns Europäern reklamierten Spätantike, sondern bietet eine arabische Kommentierung und zum Teil selbstbewusste Neuinterpretation der jüdischen und christlichen Tradition.


* Wo machen Sie die Anknüpfung zur biblischen Tradition fest?

N.: Die ältesten Suren stehen beispielsweise dem Psalterium nahe. Wie der Sprecher der biblischen Psalmen spricht der Verkünder, Muhammad, aus seiner persönlichen Frömmigkeit heraus. Politisch wurde die koranische Botschaft erst nach der Auswanderung der Gemeinde von Mekka nach Medina. Da erst war sie geprägt durch die Auseinandersetzung mit Andersgläubigen. Mit dieser von uns vorgeschlagenen Wiedereinordnung des Koran in eine gemeinsame europäisch-nahöstliche Spätantike müssen wir uns von unserem stereotypen Europabild verabschieden, in dem nur das Jüdisch-Christliche Platz hat. Die Muslime leben nicht nur längst mitten in Europa, ihre Tradition ist unser Erbe.


* Die historisch-kritische Methode, mit der Sie den Koran erforschen, ist nicht neu. In der christlichen Exegese der Bibel hatte sie einen aufklärerischen Impuls – Rudolf Bultmann sprach von Entmythologisierung.

N.: Der Koran selbst entmythisiert. Wenn der Koran zum Beispiel in der 19. Sure von Maria im Tempel spricht, wird damit das damals lebendige mythische Bild der Christen von „Maria als der Tempel“ neu interpretiert. Abstrakte theologische Formeln setzt der Koran in einfach Verständliches um und schneidet Übermenschliches zurück auf Menschenmaß. Insgesamt findet man im Koran weniger mythische Elemente als in der Bibel. Aber was Bultmann damals in der Exegese unter dem Vorzeichen der Entmythologisierung gemacht hat, stünde uns auch gar nicht zu. Wir sind keine Theologen und haben weder eine theologische noch eine aufklärerische Absicht in unserer Projektarbeit.


* Mit dem Pathos der Entzauberung betreiben Ihre Kollegen Karl-Heinz Ohlig oder Christoph Luxenberg ihre aufsehenerregenden Studien über die Einflussgeschichte des Koran. Sie stellen sogar die historische Existenz von Muhammad infrage.

N.: Ich halte nichts von der Wiederbelebung historischer Textkriege. Mit ihrer islam-polemisch motivierten Koranforschung verbaut diese Gruppe die Möglichkeit zu einem Dialog mit der islamischen Gelehrtenwelt. Diese Forscher sind nicht an einem Wissensaustausch mit arabischen Gelehrten interessiert. Sie haben zum Teil nicht einmal arabische Sprachkenntnisse. Es ist zwar das Verdienst von Christoph Luxenberg, die Aufmerksamkeit wieder auf die syrischen Traditionen in der Umwelt des Koran gelenkt zu haben. Für den Koran selbst ist der Zugang der Gruppe aber wenig relevant: Der Koran dient ihnen als Steinbruch für ihre bereits vorgefassten Ideen über die Entstehung des Islam. Die Textkomposition, die diese Konstruktionen widerlegt, ignorieren sie vollständig. Um die These, dass Muhammad nicht existiert habe, zu untermauern, werden abenteuerliche Konstruktionen errichtet, die die wissenschaftliche Kompetenz der Gruppe weit überschreiten.


* Was ist dagegen Ihr Ansatz?

N.: Wir wollen mit unseren muslimischen Kollegen über den Koran ins Gespräch kommen. Das ist aussichtsreich, weil wir glaubhaft machen können, dass wir ein aufrichtiges akademisches Interesse haben und keine politische oder antireligiöse Hinterabsicht. Es wäre eine Vergeudung, wenn wir die unschätzbaren Kenntnisse und Erfahrungen islamischer Korangelehrter, die wir uns als Außenstehende kaum je vollständig aneignen können, einfach ignorieren würden. Wir können nicht annähernd so viel über die sprachlichen und theologischen Aspekte des Koran wissen wie diese Gelehrten. Was wir von der islamischen Tradition mit unseren Methoden erfassen, ist nur die Spitze des Eisbergs.


* Wie sieht das im Konkreten aus?

N.: Wir hatten beispielsweise Gespräche über Sure 112. Sie vereint direkte textliche Bezüge zum jüdischen Glaubensbekenntnis, dem „Schema Israel“ und zum christlichen Credo von Nizäa und Konstantinopel. Wenn man beispielsweise in Damaskus hebräische Originaltexte im Zusammenhang mit dem Koran vorstellt, ist das zunächst irritierend. Hebräische Schriftzeichen sind heute ja auch politisch konnotiert. Außerdem betrachtet man den Koran im Islam als Neuanfang, bei dem andere Traditionen nicht formgebend waren. Dennoch ergibt die Diskussion immer wieder denselben Eindruck: Die Wiederentdeckung der älteren Texttraditionen, die im Koran nachhallen, findet großes Interesse bei den Gelehrten, wenn sich dahinter nicht die Absicht verbirgt, dass die Originalität des Korans an sich infrage gestellt werden soll.


* Ihr Potsdamer Projekt berücksichtigt im Besonderen die Arbeit von jüdischen Gelehrten.

N.: Wir stehen auf den Schultern der Wissenschaft vom Judentum aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Gelehrte wie Abraham Geiger entdeckten den Koran dank ihrer sprachlichen Kompetenz als einen historisch mehrschichtigen Text und begannen ihn zu historisieren – ernst und unpolemisch. Da Kommentare zum Koran nicht vorlagen, gingen sie direkt vom Text aus, unbeeinflusst von späteren Interpretationen, das war ein großer Vorteil. Da diese Wissenschaft im deutschen Reformjudentum in deutscher Sprache stattfand, wurde sie nach dem Holocaust nirgends fortgeführt und geriet in der Forschung für lange Zeit in Vergessenheit. Diese Arbeit nehmen wir jetzt wieder auf. Dabei berücksichtigen wir auch das Handschriften- und Tonarchiv von Gotthelf Bergsträsser, das nach dem Zweiten Weltkrieg als verschollen galt. 2009 werden wir dann die ersten Ergebnisse unserer Arbeit präsentieren. Aber das Projekt ist so umfangreich, dass wir noch weit über den angesetzten Zeitraum bis 2018 forschen könnten.


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3. "Koran, aber im Kontext -- Eine Replik" von Michael Marx, Angelika Neuwirth und Nicolai Sinai.
(eine notwendige Antwort auf einen etwas dümmlichen Kommentar des FAZ-Hrsg.s Frank Schirrmacher [der wohl nichts zu tun hat mit der evangelikalen Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher] a.i.m.).


Aus http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E35504EE5AAC94B2C8E28D9EE7E7F925B~ATpl~Ecommon~Scontent.html

„Corpus Coranicum“


Koran, aber im Kontext -- Eine Replik


Von Michael Marx, Angelika Neuwirth und Nicolai Sinai


06. November 2007
In seinem Leitartikel zur Frankfurter Buchmesse, der unter dem Titel „Ein Buch fehlt“ am 10. Oktober in der F.A.Z. und auf FAZ.NET erschienen ist, geht Frank Schirrmacher auf das Forschungsprojekt „Corpus Coranicum“ ein (siehe auch: Bücher können Berge versetzen). Leider erlaubt es uns die wissenschaftliche Redlichkeit nicht, uns in dem prometheischen Glanze zu sonnen, in den er unser Vorhaben stellt. Sein Artikel bringt Corpus Coranicum in enge Verbindung mit der Regensburger Rede Benedikts XVI. Für den Leser könnte sich so der Eindruck einstellen, Corpus Coranicum würde ein vom Papst gefordertes Forschungsprogramm ausführen.


Tatsächlich geht der in der islamischen Welt von der Papst-Rede ausgelöste Protest ja auf die Verwechslung eines Zitats aus der Feder Manuels II. Palaiologos mit der eigenen Meinung des Papstes zurück. So bedauerlich dieses Missverständnis sein mag, so wenig zeugt es doch von einer grundsätzlichen Unvereinbarkeit des Islams mit einer historischen Koranlektüre oder mit einer philologisch fundierten Aufarbeitung der koranischen Textüberlieferung. Ganz im Gegenteil lassen sich in der islamischen Tradition durchaus entsprechende Ansätze ausmachen: Klassische Korankommentare fragen immer wieder nach den „Offenbarungsanlässen“ (asbâb an-nuzûl) einzelner Verse, und die islamische Literatur über abweichende Lesarten des Korantextes - gleichsam eine Art Textkritik avant la lettre - füllt Regale. Auch wenn unser Projekt an europäische Forschungstraditionen (vor allem auch an verschüttete deutschsprachige Wissenschaftstraditionen) anknüpft und in mancherlei Hinsichten andere Fragen als die islamische Koranexegese stellt, so steht es doch nicht in unaufhebbarer Gegnerschaft zur islamischen Koranrezeption.
Mindesthoffnung: eine fruchtbare Streitkultur


Natürlich soll damit nicht geleugnet werden, dass der zeitgenössische Islam auch durch fundamentalistische Strömungen charakterisiert ist, die ohne jede hermeneutische Arbeit einen Text des siebten Jahrhunderts mit der Gegenwart kurzschließen wollen. Es wäre jedoch verkürzt, solche Positionen lediglich aus der islamischen Tradition heraus erklären zu wollen; sie sind auch das Ergebnis von Transformationen und Verengungen dieser Tradition unter den spezifischen Bedingungen der Moderne.


In den vergangenen Monaten konnten wir in Teheran, Qom, Damaskus, Fes, Rabat und während einer Sommerakademie in Istanbul mit iranischen, arabischen und türkischen Gelehrten zahlreiche Diskussionen über unser Projekt führen, bei denen sich zeigte, dass auch aus innerislamischer Perspektive theologisch überzeugend für eine kontextualistische Koranlektüre argumentiert wird: Selbst wenn man den Koran als wortwörtliche Gottesrede betrachtet, so muss sich eine für Menschen verständliche Offenbarung doch auf den kulturellen und religiösen Horizont ihrer Adressaten einlassen und stellt insofern auch einen legitimen Gegenstand historischen Fragens dar. Wir knüpfen hieran die Hoffnung, dass nichtislamische und islamische Forscher von unterschiedlichen Ausgangspunkten her zu manchen gemeinsamen Fragestellungen, zumindest aber zu einer fruchtbaren Streitkultur finden können.


Wir wollen keine Fundamentalisten belehren


Inwieweit sich die gerade skizzierte Sichtweise in den von vielerlei politischen und sozialen Verwerfungen erschütterten Gesellschaften des Nahen Ostens wird durchsetzen können, ist, wie jede historische Entwicklung, offen. In jedem Fall kann es nicht Anliegen unseres Forschungsprojektes sein, islamische Fundamentalisten eines Besseren zu belehren. Gerade die Hoffnung, unsere Arbeit könne politische Heilstaten vollbringen („Herrscher stürzen und Reiche wenden“), droht seine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und damit auch seine Attraktivität für interessierte islamische Forscher zu gefährden, insofern sie der in vielen Kreisen der islamischen Welt verbreiteten Vorstellung entgegenkommt, nichtislamische Orientalisten seien vor allem Erfüllungsgehilfen politischer Zielvorgaben.


Primärer Adressat von Corpus Coranicum ist deshalb nicht die islamische Welt, sondern die deutsche und europäische Öffentlichkeit: Indem das Projekt auf unaufgeregte, von Islamophobie wie romantischer Verklärung gleichermaßen entfernte Weise die Interaktion des Korans mit seinem spätantiken, durch christliche und jüdische Traditionen geprägten Umfeld nachzeichnet, wird der Koran vom Inbegriff des Anderen, Nicht-Europäischen zu einer Schrift, die eng mit einer konstitutiven Epoche der abendländischen Tradition verflochten ist. Unnötig zu sagen, dass dies kein unkritisches Übersehen der offenkundigen Dissonanzen zwischen dem koranischen Wortlaut und dem Wertekanon der westlichen Moderne bedeutet: Auch die Bibel erweist sich unter dem Zugriff historischer Analysemethoden nicht gerade als Manifest der Geschlechtergerechtigkeit. Gleichwohl wäre es nicht legitim, eine religiöse Tradition auf den historischen Primärsinn ihrer kanonischen Texte festzuschreiben: Welchen exegetischen Gebrauch eine Gemeinde von ihrer Überlieferung macht, wird nicht vom Wortlaut dieser Überlieferung bestimmt.
Die Verfasser arbeiten am Forschungsprojekt „Corpus Coranicum“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.


Text: F.A.Z., 06.11.2007, Nr. 258 / Seite 37


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4. Link zum Interview mit Herrn Michael Marx, dem Leiter des Corpus Coranicum Projekts der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

für die Internet-Seite www.muslimische-stimmen.de [http://www.muslimische-stimmen.de/index.php?id=18)] vom 14. 05. 2008:


Siehe die PDF- Datei hier: http://www.muslimische-stimmen.de/uploads/media/Interview_Michael_Marx_Vollversion.pdf

o*o*o*o* Ich schicke den vollständigen Text des Interviews als extra E-Mail! *o*o*o*o

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5. Buchtipp:

(Alle folgenden Infos stammen aus: http://www.ergon-verlag.de/de)



Hartwig, Dirk - Homolka, Walter - Marx, Michael J. - Neuwirth, Angelika (Hrsg.):

"Im vollen Licht der Geschichte" Die Wissenschaft des Judentums und die Anfänge der kritischen Koranforschung.

Ergon-Verlag GmbH (Geschäftsführer: Dr. Hans-Jürgen Dietrich, Keesburgstr. 11, 97074 Würzburg),
2008.
299 S. - 170 x 240 mm. Kartoniert

ISBN: 978-3-89913-478-0

Einzelpreis: 38,00 €


(Reihe: Ex Oriente Lux. Rezeptionen und Exegesen als Traditionskritik, Band 8)



Blickt man auf die Entstehung und Entwicklung der Orientwissenschaften im 19. und 20. Jahrhundert zurück, so kann man nicht umhin, festzustellen, dass die maßgebliche Rolle des Pioniers und dann Formgebers hier jüdisch akkulturierten Wissenschaftlern in Europa, insbesondere in Deutschland, zukommt.
Orientwissenschaft ist in ihren Anfängen keine lineare Bewegung von westlichen, d.h. christlichen oder noch öfter säkularisierten Forschern hin auf einen islamischen Orient. Sie reflektiert auch keine reine Subjekt-Objekt-Beziehung, wie Edward Saids Konzept Orientalism suggerieren könnte. Vielmehr ist das mit dieser Forschung eröffnete intellektuelle Spannungsfeld nur als ein kreatives Dreiecksverhältnis zu begreifen: Es waren zunächst deutsche Juden, die sich dem 'Orient' zuwandten, die mit den im säkularisierten Europa entwickelten Methoden arabistische Textforschung betrieben. Und es waren Angehörige der Wissenschaft des Judentums, die diese von ihnen studierte 'orientalische Kultur' - statt sie als exklusives Forschungs-Objekt wahrzunehmen - als Teil ihrer eigenen Kultur begriffen.
Diese plurikulturellen 'Ursprünge' möchte das hier vorliegende Buch beleuchten.

Der von Ernest Renan erhobene Anspruch, der Islam sei 'im vollen Licht der Geschichte' entstanden, verdient heute neu reflektiert zu werden: Der Band will zeigen, wie das von der Wissenschaft des Judentums auf den Koran geworfene Schlaglicht auch heute Wege zu einer kulturell offeneren, der islamischen Tradition angemesseneren Wahrnehmung der Grundurkunde des Islam weisen kann.



Inhaltsverzeichnis

Angelika Neuwirth
“In the Full Light of History” The Wissenschaft des Judentums and the Beginnings of Critical Qur'an Research ..... 11
Angelika Neuwirth
„Im vollen Licht der Geschichte“ Die Wissenschaft des Judentums und die Anfänge der kritischen Koranforschung ..... 25

Michael J. Marx
Ein Koran-Forschungsprojekt in der Tradition der Wissenschaft des Judentums: Zur Programmatik des Akademienvorhabens Corpus Coranicum ..... 41
*-*-*- Hier wird das Projekt CC beschrieben und auch gezeigt, wie das alles dargestellt werden soll! -*-*-*

Walter Homolka
Das Erbe der Wissenschaft des Judentums im Religionsdialog heute ...... 55


- I - Abraham Geigers Leben und Werk (1810-1874) und die Wissenschaft des Judentums


Susannah Heschel
Abraham Geiger and the Emergence of Jewish Philoislamism ..... 65

Aaron W. Hughes
Contextualizing Contexts – Orientalism and Geiger's "Was hat Mohammed aus dem Judenthume aufgenommen?" Reconsidered ..... 87

Christoph Schulte
Kritik und „Aufhebung“ der rabbinischen Literatur in der frühen Wissenschaft des Judentums ..... 99


- II - Koran- und Islamstudien aus der Wissenschaft des Judentums


Franz Rosenthal
The History of Heinrich Speyer’s "Die biblischen Erzählungen im Qoran" ..... 113

Gudrun Jäger
Josef Horovitz – Ein jüdischer Islamwissenschaftler an der Universität Frankfurt und der Hebrew University of Jerusalem .... 117

Friedrich Niewöhner
Der Gefangene von Budapest: Ignaz Goldziher (1850-1921) zwischen Tora und Koran .... 131

Nicolai Sinai
Orientalism, Authorship, and the Onset of Revelation: Abraham Geiger and Theodor Nöldeke on Muhammad and the Qur'an ..... 145


- III - Der Koran und seine spätantike Umwelt – Studien in der Tradition der Wissenschaft des Judentums


Angelika Neuwirth
Psalmen – im Koran neu gelesen (Ps 104 und 136) ..... 157

Dirk Hartwig
Der „Urvertrag“ (Q 7:172) – ein rabbinischer Diskurs im Koran ..... 191

Reimund Leicht
Das Schriftlichkeitsgebot bei Darlehensverträgen im Koran (Sure 2:282) – Perspektiven eines Vergleichs mit dem rabbinischen Recht .... 203

Ludwig Ammann
Der altarabische weltanschauliche und religiöse Kontext des Koran .... 223

Isabel Toral-Niehoff
Eine arabische poetische Gestaltung des Sündenfalls - Das vorislamische Schöpfungsgedicht von 'Adi ibn Zayd ..... 235

Admiel Kosman
Giving Birth between the Horizontal and the Vertical: The Sarah-Hagar Narrative and Its Impact on the Medieval Jewish Attitude to Islam ..... 257


- IV - Ausblick


Almut Sh. Bruckstein
Manifest: Ha'Atelier – Werkstatt für Philosophie und Kunst: Für eine Renaissance der jüdischen und islamischen kosmopolitischen Traditionen ..... 281


Zu den Autoren
Indices
Personenregister
Sachregister
Schriftstellenregister

*ENDE*


*

II.4.) Kurskonzept zum Verhältnis von Religionen und Menschenrechten

von Martina Schäfer:

Im April 2008 erhielt die „Stiftung Kinderdorf Pestalozzi“ in Trogen (www.pestalozzi.ch)) für ein Kurskonzept zum Verhältnis von Religionen und Menschenrechten auf dem Internationalen Menschenrechtsforum, das die Universität Luzern jedes Jahr veranstaltet, den 1. Preis.
(siehe Anhang)

Das Preisgeld des IHRF - Luzern ist zur Finanzierung einer Pilotphase gedacht, um
diesen Kurs an Schulen, Jugendorganisationen, Institutionen der Erwachsenenbildung, etc. lancieren.

Die Pilotphase ist für den Zeitraum November 2008 – Mai 2009 geplant.
In diesem Zeitraum kann man den Kurs zu reduzierten Preisen oder gar ganz umsonst erhalten.

Man kann mit seiner Gruppe ins Kinderdorf nach Trogen (CH) kommen oder eine Kursleitung (evtl. plus Kursassistenz) buchen,
die diesen Kurs vor Ort durchführt.

Die Dauer kann zwischen 3 bis 10 Tagen sein (oder analog beliebig viele Wochenenden).

Der Kurs kann sowohl in der Schweiz als auch im deutschsprachigen Ausland durchgeführt werden.
In anderen Ländern sollten die Kursteilnehmenden Englisch auf Oberstufenniveau können.

Anfragen richten Sie bitte an:

Dr. Martina Schäfer dipl. päd. MA
Leiterin Interkultureller Austausch
Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
Kinderdorfstrasse 20, CH-9043 Trogen
Tel: 0041 71 343 73 46
Fax: 0041 71 343 73 30
http://www.pestalozzi.ch/


Kurs: Sag Religion, wie hältst Du`s mit den Menschenrechten?


Form
Ein - zweiwöchiger Lehrgang zum Verhältnis Menschenrechte und Religion


Zielgruppe

SchülerInnen und MultiplikatorInnen ab 14 Jahren (eventuell auch jünger)


Thema
Thema des Kurses ist es, die Ethik der Grossreligionen mit der "Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte" von 1948 in einen Bezug zu setzen.
Ein weiteres Anliegen ist die Entwicklung von Kriterien für die Kommunikation mit religiösen und nicht religiösen Menschen an Hand der Menschenrechte.


Inhalte

Unterschiede von Rechten und Religionen und Einführung in Geschichte und Inhalte der Menschenrechte
Religionen und Rechtssysteme (rechtsähnliche Systeme) in Vor- und Frühgeschichte sowie bei sogenannten Naturvölkern
Hinduismus und Menschenrechte
Buddhismus und Menschenrechte
Judentum und Menschenrechte
Christentum und Menschenrechte
Islam und Menschenrechte
Laizistische Glaubenssysteme, Sekten und die Menschenrechte


Wichtigste Fragestellungen

Was kann die Menschenrechtsbildung in Hinsicht auf emotionaler Verankerung von den Religionen lernen?
Was muss passieren, dass die Menschenrechtlichen Anteile in den Religionen bestärkt werden?
Der zentrale Begriff in den Menschenrechten ist jener der "Würde". Gibt es Analogien zum Würdebegriff in den Religionen?
Welches Menschenbild steht jeweils hinter den religiösen Konzepten und dem Konzept der Allgemeinen Erklärung der Rechte der Menschen?


*

II.5.) Neuer Studiengang "Medien - Ethik - Religion" an der Uni Erlangen

von Georg Hehn via Yggdrasill-Liste:

Liebe Liste,

erst diese Tage bin ich auf die Ankündigungen für einen neuen
Studiengang an der Universität Erlangen-Nürnberg aufmerksam geworden. Er
ist diese Semester unter dem Titel "Medien - Ethik - Religion" gestartet
und durchaus auf größerer Breite angekündigt worden - u.a. diverse
Pressemeldungen der Uni, Berichte im ZDF, Thema im "Jobletter" der ZEIT,
eigene Internetseite (http://www.medien-ethik-religion.de), etc.
Der Studiengang geht aus der Abteilung für christliche Publizistik der
Universität Erlangen-Nürnberg hervor. Federführend scheint Frau Johanna
Haberer, dessen Leiterin, Universitätspredigerin, Sprecherin des "Wort
zum Sonntag" der ARD, Rundfunkbeauftrage der EKD und Chefredakteurin der
bayrischen Kirchenzeitung "Sonntagsblatt". Dozenten sind der übrige
Lehrkörper der Abteilung: Daniel Meier, Ronald Uden und Markus Kaiser.
Die übrigen genannten Dozenten sind:
- Roland Gertz vom Evang.-Luth. Landeskirchenamt, München,
- Julia Helmke, lutherische Pastorin und Kulturbeauftragte der Ev.-Luth.
Landeskirche Hannover.
- Friedrich Kraft, Professor für lutherische Theologie an Akademie der
bildenden Künste München,
- Siegfried Krückeberg, luth. Pfarrer, Redaktionsleiter von "medio", der
"Medienagentur der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck" sowie
Predigtbeauftrager der Evangelischen Christuskirche Hanau.
- Christoph Lindenmeyer, ev. Theologe, Leiter der Hauptabteilung Kultur
/ Programmkoordinator des Bayrischen Rundfunks, Abgeordneter der 10.
Synode der EKD.
- Hans Jürgen Luibl, luth. Pfarrer und Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern (AEEB)
sowie Europabeauftrager der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa,
- Thomas Zeilinger, Theologe und Pfarrer, Wissenschaftlicher Begleiter
des Projekts "Vernetzte Kirche" der Evang.-Luth. Kirche in Bayern am
Lehrstuhl Praktische Theologie II der LMU München, sowie Dozent des
"Instituts persönlichkeit+ethik"

Sämtliche genannten Personen sind Funktionsträger der
evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern oder der EKD im Bereich
Journalismus. Der Studiengang selbst gibt seine Ausrichtung auf die
Institutionen der lutherischen Kirchen jedoch nicht an, sondern spricht
im weitesten Sinne von "Religion", "Medien", etc.
Die Formulierung dieses Studienganges scheint mir ein typisches Beispiel
für die m.E. in den letzten Jahren eher noch zunehmenden
Selbstverständlichkeit zu sein, mit der die großen Kirchen in
Deutschland die Begrifflichkeit "Religion" für sich vereinnahmen. Ein
Studieninteressierter an diesem vermeintlich spannenden Feld von
Religion und Medien sieht erst auf den dritten Blick, dass es sich um
einen Ausbildungsgang der lutherischen Kirchen für ihren
Funktionärsnachwuchs handelt. Noch interessanter wird es, weil es sich
hier gerade um Multiplikatorenausbildung handelt, mit der sich die
Kirchen mit professionellem Personal für den weiteren Einfluss auf die
Diskursbildung "Religion" in den Medien genau in diesem Sinne versorgen.
Wir haben es m.E. mit einem schönen Beispiel für ein Grundproblem der
akademischen Religionswissenschaft in Deutschland zu tun: Es geling Ihr
nicht, sich wenigstens als alternativen Funktionsträger neben den
Kirchen für den gesellschaftlichen Diskurs "Religion" in Deutschland in
Stellung zu bringen.
Solche, die aktuellen "Buzzworte" bedienenden Studiengänge mit großer
medialer Aufmerksamkeit und institutioneller Verankerung wäre vielleicht
das, was akademische Religionswissenschaft angehen müsste, um nicht
weiter im gesellschaftlichen Diskurs unsichtbar und damit ständig vom
unbemerkten Verschwinden bedroht zu bleiben (Tübingen lässt grüßen).

Viele Grüße,

Georg Hehn









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III.) Literaturtipps

III.1.) Michael Blume und Rüdiger Vaas: "Gott, Gene und Gehirn - Warum Glaube nützt. Die Evolution der Religiosität".

von Michael Blume via Ygdrasill-Liste:

Liebe Freunde,

die meisten von Euch wissen, dass ich seit sehr jungen Jahren davon geträumt habe, einmal Bücher zu schreiben. Derzeit bin ich sehr aufgeregt, denn es ist bald soweit: Am 7. Oktober erscheint bei Hirzel mein Erstling, gemeinsam verfasst mit dem Wissenschaftsjournalisten Rüdiger Vaas: "Gott, Gene und Gehirn - Warum Glaube nützt. Die Evolution der Religiosität".

Darin haben Rüdiger und ich die neuesten Befunde und Studien aus den unterschiedlichsten Disziplinen der Evolutionsforschung zur Religiosität (von der Hirn-, über die Ritual- bis zur Zwillingsforschung) zusammen getragen, von denen viele in der Öffentlichkeit und gerade auch in Deutschland noch völlig unbekannt sind. Auch mein persönlicher Forschungsschwerpunkt, der Zusammenhang von Religion(en) und Demografie, ist mit einem Kapitel und neuen Studien, Daten und Grafiken vertreten. Unseres Erachtens wird Religiosität im Brennpunkt verschiedenster Wissenschaftszweige derzeit als ein Teil der menschlichen Natur und Evolutionsgeschichte ganz neu erfassbar und wir hoffen, Menschen zum Mitdenken und -entdecken zu gewinnen.

Einen großen Werbeetat haben wir natürlich nicht und so ist noch völlig offen, ob das Buch ein Erfolg wird oder vielleicht auch unbeachtet floppt und ob es also zum so dringend notwendigen Dialog zwischen Naturwissenschaften und Religionen vielleicht etwas beitragen kann.

Der Vorstellungsflyer des Verlags habe ich in Anlage angefügt. Vielleicht findet ja jemand Interesse - oder kennt jemanden, den so etwas interessieren könnte? Für jede kleine Tat, die dem Buch auf den ersten Schritten hilft, wäre ich sehr dankbar! Zwar muss ich weitergehende Rezensions-Exemplare aus eigener Tasche bezahlen, aber wo gewünscht und sinnvoll würde ich auch das machen.

Mit Dank und ganz herzlichen Grüßen

Michael (Blume)

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Dr. Michael Blume
www.blume-religionswissenschaft.de

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III.2.) Heinrich Schäfer: Kampf der Fundamentalismen. Radikaler Islam, radikales Christentum und Europas Moderne.

von Heinrich Schäfer via Yggrasill-Liste:

Liebe Listenteilnehmer,
ausnahmsweise möchte ich mir erlauben, Sie auf diesem Wege über eine Neuerscheinung zu informieren. Für die spezifisch Interessierten erlaube ich mir, ein Exposé des Buches in englischer Sprache beizufügen.
Mit freundlichen Grüßen,
Heinrich Schäfer



Heinrich Schäfer: Kampf der Fundamentalismen. Radikaler Islam, radikales Christentum und Europas Moderne.
Verlag der Weltreligionen (Suhrkamp) 2008



Exposé

Kampf der Fundamentalismen. Radikales Christentum, radikaler Islam und Europas Moderne
Published by Verlag der Weltreligionen (© Suhrkamp, Frankfurt, Germany), Sept. 2008.

The Clash of fundamentalisms. Radical Christianity, Radical Islam and Europe's modernity
(Essay, 400.000 characters)

The book presents a new and completely formal definition of “fundamentalism”. On this basis the book …
· assesses Islamic movements within the framework of the kind of modernity specific to the Middle East,
· assesses Christian movements in the USA within the framework of the kind of modernity specific to America,
· locates the different fundamentalisms within the global relations of power,
· discusses the logic of the relevant “political theologies”, and finally
· outlines – contrasting with this picture – three strands of European modernity and the challenge of global justice.

The book is based on more than two decades of academic research, but its style is well-suited to a broader intellectual audience and does not require deeper religious, sociological or theological knowledge.

Definition of fundamentalism:
“Fundamentalism” is defined by two criteria that must be found in combination in order to qualify a certain religious or social practice as “fundamentalist”. A movement or similar social actor has to
1. declare a certain conviction – religious, political etc. – as an absolute value and
2. employ this in an expansive strategy to control major social space.
Only such movements that meet both criteria are “fundamentalist”. A movement like the Amish that meets the first criterion but focuses on withdrawal from society is not to be called “fundamentalist”. Revolutionary movements, on the other hand, like the Sandinistas or Liberation Theology that meet only the second criterion are not “fundamentalist” either.
However, an important context condition must also be mentioned: fundamentalist movements are phenomena of modernity.
This formal definition has the advantage that it can be applied to non-religious actors as well. Nevertheless, the present book focuses on religious fundamentalism.

Table of contents


1. Premises
1.1. Fundamentalism
A definition of „fundamentalism“ as outlined above, but fully explained within the framework of scientific discussion. The formal definition allows to distinguish between different fundamentalisms according to their religious contents and cultural contexts.
1.2. Religious movements
Fundamentalisms are analyzed as religious movements. Thus, it is necessary to distinguish between different phases of non-fundamentalist and fundamentalist strategies. Moreover, this approach allows to see that religious actors, especially fundamentalists, employ identity as a strategic factor. The transformation of interest-oriented conflicts into identity conflicts turns out to be an important indicator of fundamentalist strategies.
1.3. Modernities
To understand the fundamentalisms, it is important to understand different “modernities“ as their contexts. Definition of modernization as an overarching politization (Senghaas) of social life. Introduction of the concept of “multiple modernities” (Eisenstadt) in order to understand the differences between Islamic and Christian fundamentalism. Moreover, inner differences within Western modernities.

2. The House of Islam
Assessment of Islamist movements in Middle East.
2.1. The Unbelievers – Modernity as Domination
Colonial European modernity as secularist dominion forming the context of the initiation of Islamistic reorientation.
2.1.1. Modernists
Early modernist movements in Islam: Sayyid Ahmad Khan (1817-1898, India), Djamal al-din al-Afghani (1838-1897) and Muhammad Abduh (1849-1905, Egypt).
2.1.2. Domination and Islamism
Anti-colonial formation of radical Islamists - from the Muslim Brotherhood to Jama’at al-Djihad, Jama’a al-Islamiya and Al-Kaida.
2.1.3. The Conflict – Modernity as Twofold Submission
Conclusion: Islamistic movements in a twofold confrontation: colonialism as the enemy from outside and secularist elites as the enemy from inside.
2.2. Theology – There is no God but God…
Islamistic theology as a religious theory of Islamic modernity.
2.2.1. Perception – a Twofold Submission
The social class of Islamist actors. The perception of twofold submission, combined with social position as the context of the reformulation of Islamist theologies.
2.2.2. Sunna – the Oneness of God and the World
The doctrine of Tawhid as the basis for the idea of the oneness of God and the unity of the community. The Islamist splitting of the Muslim community - the inner enemy (Qutb and the theory of djahiliyya). The spirit of warfare in Al-Kaida: Zawahiri and the theory of “Loyalty and break”.
2.2.3. Shia – the Imam and the Clergy
The theory of the hidden Imam, end-time ideology and Khomaynis theory of his sacred political ministry (wilayat al-fakih). Later developments in Iran.
2.2.4. Apocalyptics – Dominion and Time
Apocalyptic transformations in Isalmic popular theology since the seventies and their political significance.
2.3. … and Muhammad is His Prophet – Strategies
2.3.1. Religious Revolution?
The significance of Islamic theologies and religious convictions for political strategies.
2.3.2. The Field of Honor – Islam’s Civil Religion?
About the motive of “honor” in Islamic discourse and practice and its significance for a common religious-political understanding of the “Muslim world”.
2.3.3. Conclusion
An assessment of the Isalmic religious movements under the twofold criterion of fundamentalism.

3. America! America!
Assessment of Christian movements in the U.S.
3.1. God’s Own Country – Modernity as Freedom
Revolutionary anti-colonial modernity and a religious utopia as the context for the role of religion as a common moral denominator for American society.
3.1.1. Precursors – the City upon the Hill
A short history of the formation of the basic religious orientations in American modernity up to the second half of the nineteenth century.
3.1.2. The Fight for America and the World
The history of the radical Protestant movement in two phases. First, from the early Gilded Age to 1925, distinguishing the revival movements from academic strategies of domination in the fields of humanities and politics. Second, from the seventies until today, outlining the formation of the Christian Right, its “Neo-Pentecostalization” and its rooting in social life and politics.
3.1.3. The Conflict – Modernity as a Threefold Opportunity
Conclusion: U.S. American fundamentalism as mobilized religious modernity in delicate relation to technocratic and democratic modernities.
3.2. Theology – Praise the Lord…
Radical Protestant theology as a theory for religious Western modernity.
3.2.1. Perception – Conflict as Opportunity
The social class of radical Protestant and fundamentalist actors - the traditional lower class and the upwardly mobile middle class. The perception of socio-economic stagnation and deprivation is countered by religious identity-mobilization. The perception of socio-economic opportunities is strategically transformed by religious subjectivism (“Neo-pentecostalization”).
3.2.2. Word – Bible and Prophecy
Older (objectivist) Biblical literalism against the new subjectivist interpretation of prophecy in late (Neo-Pentecostal) fundamentalism.
3.2.3. Space – Spirit and Power
Older spiritual healing traditions in Pentecostalism against new theories of “spiritual warfare”.
3.2.4. Time – Apocalypse Now?
The transformations of time-concepts from post-millennialism through pre-millennialism and – very differently! – dispensationalism up to the “Left Behind” media ideology.
3.3. …and pass the ammunition! – Strategies
3.3.1. Religious Counter-Revolution?
The significance of the theologies and religious convictions outlined to political and social strategies.
3.3.2. Ground Zero – America’s New Civil Religion?
The transformation of American Civil Religion and the supposition that Ground Zero might become the symbolic location of a new, apocalyptic phase of Civil Religion in the U.S.
3.3.3. Conclusion
An assessment of the Christian religious movements under the twofold criterion of fundamentalism.

4. Combat Zone and Alarms
Beyond fundamentalists condemning each other, what is the real combat zone and what are the alarm signals through which fundamentalists seek to mobilize followers?
4.1. Power and Justice – Resources, Globally
The combat zone - locating fundamentalisms in a scheme of global power relations. U.S.fundamentalism is in a top position and Islamic fundamentalism maintains a global “middle class” position. This is a classic revolutionary constellation. Seen from the perspective of the “man-on-the-street” from the third world, Islamic fundamentalism occupies an important position to be identified as a defender of global justice.
4.2. Break and Doomsday – Political Theologies
Alarms - on different strategies of using religious discourse for mobilization, and on the role of fundamentalist movement-organizations within larger Evangelical and Islamist religious movements.

5. Europe
Europe occupies, in world politics as well as in a cultural sense, a middle position between Islam and America. At the same time, it is very different from both, since its modernity is anti-religious. How to develop a middle position into a mediating one?
5.1. Revolution, Politics und Religion – What’s Special about Europe?
Europe’s modernity was forged in opposition to religion. In the U.S. and Islamic cultures, religion is a public moral issue while state and religious institutions are normally separate. In Europe, it is the other way around. What is religion in the U.S. and Islam, has in Europe been secularism and socialism.
5.2. „Technocratorship“ and „Democratorship“ – Fundamentalist Threats in Modernity
On the specific risks of technocracy of turning instrumental reason into a fundamentalist device by absolutizing it and using it in Western expansion. On a certain risk of democratic universalism of undergoing fundamentalist transformations, if the reflective checks and balances are weakened.
5.3. Freedom, Equality, and Brotherhood – European Identity-Politics
On the hermeneutical, self-reflexive strand of European modernity and its counterparts in post-modern pragmatism (Rorty) and on the necessity of global social justice as an effective antidote against fundamentalism.

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III.3.) Neue Online-Fachzeitschrift: "Transformierte Buddhismen“

von Katya Rakow via Yggdasill-Liste:

Liebe Liste, gern möchten wir auf diesem Wege auf die kürzlich erschienene erste Ausgabe der Online-Fachzeitschrift "Transformierte Buddhismen" unter http://transformiertebuddhismen.uni-hd.de/ hinweisen. Mit besten Grüßen Katja Rakow Informationen zur Zeitschrift: Die Beiträge der Zeitschrift befassen sich auf der Basis neuester Forschungsergebnisse sowohl mit historischen Prozessen als auch rezenten Entwicklungen in den verschiedenen Buddhismen. Dabei werden lokal spezifische wie auch transkulturelle Adaptions-, Transformations- und Innovationsprozesse in den Blick genommen. Der Fokus der Beiträge liegt auf Wandlungsprozessen in buddhistischen Vorstellungen, Rhetoriken, Praktiken und Ästhetiken, die durch historische und gesellschaftliche Veränderungen als auch durch den geographischen Transfer buddhistischer Ideen und Praktiken (z.B. zwischen Ost und West und umgekehrt) hervorgerufen wurden und werden. Im Rahmen der Zeitschrift werden für das skizzierte Themenfeld relevante Publikationen besprochen. Die Zeitschrift erscheint jährlich. Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 01/2008: Inken Prohl und Katja Rakow: Transformationen buddhistisch inspirierter Vorstellungen und Praktiken: Eine empirische Studie im Raum Berlin http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/8623 Johanna Lüdde: Die Akkulturation des Chan-Buddhismus im Shaolin Tempel Deutschland http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/8624 Jens Schlieter: Wer hat Angst vor dem Dalai Lama? Victor und Victoria Trimondis Der Schatten des Dalai Lama (1999) als spiritualistische Verschwörungstheorie http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/8625 Katja Rakow: Das Tibetische Totenbuch: Vom tibetischen Ritualtext zum spirituellen Klassiker http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/8626 Sven Bretfeld: Buddhistische Laien, buddhistische Profis: Individualisierung von Religiosität als Folge einer Neuverteilung religiösen Wissens im modernen Buddhismus Sri Lankas http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/8627 Rezension: Bernstein, Andrew (2006): Modern Passings. Death Rites, Politics, and Social Change in Imperial Japan. (Tim Graf) http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/8628 -- Katja Rakow, M.A. Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Institut für Religionswissenschaft Akademiestraße 4-8 69117 Heidelberg Tel. (06221) 54 7694 Fax (06221) 54 7624
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III.4.) Neue Online-Fachzeitschrift: „Bayreuther Beiträge zur religiösen Gegenwartskultur“

von Christoph Bochinger via Yggdrasill-Liste:

Liebe Listenmitglieder,
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ab sofort unsere neue elektronische
Zeitschrift http://www.bbrg.info/ (Bayreuther Beiträge zur religiösen
Gegenwartskultur) im Netz ist. Sie löst die frühere Zeitschrift BBrF ab
(Bayreuther Beiträge zur Religionsforschung http://www.bbrf.de/ ), die seit 1998 von
der Facheinheit Religion (bestehend aus ev. und kath. Theologie sowie
Religionswissenschaft) herausgegeben wurde. Die neue Zeitschrift soll nicht
nur der Außendarstellung der Bayreuther Religionswissenschaft, sondern auch
der Vernetzung der religionswissenschaftlichen Erforschung der religiösen
Gegenwartskultur an anderen Standorten dienen. Beiträge von Auswärtigen sind
herzlich willkommen.

Das soeben erschienene HEFT 1 enthält den Aufsatz "Individuelle
Spiritualität und politische Positionierung" von Karsten Lehmann.
HEFT 2 wird Jürgen Grafs Arbeit "Wellness und Religion" beinhalten, HEFT
3 die Arbeit "Der Islam und der Westen im Werk Tariq Ramadans. Portrait
eines muslimischen Reformdenkers" von Florian Zemmin.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Bochinger
Im Namen der Herausgeber

Bayreuther Beiträge zur religiösen Gegenwartskultur
hg. v. Christoph Bochinger, Stefan Kurth, Karsten Lehmann und Bernhard Wolf
http://www.uni-bayreuth.de/departments/religionswissenschaft

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IV.) Berichte von besuchten Veranstaltungen und andere Texte von mir

IV.1.) Nachbarschaft im Islam und Christentum - Veranstaltung in der Moschee An der Esche am Tag der offenen Moschee in Bonn

Im Netz unter:
http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=865#c1861

von Michael A. Schmiedel

Auch am 18. Jahrestag der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten zu einem ist weder diese Wiedervereinigung zu einem alle zufrieden stellenden Ende gekommen, noch ist die deutsche Gesellschaft mit all den unterschiedlichen Migrations- und anderen Hintergründen ihrer Mitglieder so zusammen gewachsen, dass es kein „wir“ und „ihr“ im Sinne eines „wir Deutschen“ und „ihr Anderen“ mehr gäbe. Der Prozess ist weiterhin im Gang und das Ende nicht absehbar.

Ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses ist der alljährlich am Tag der Deutschen Einheit stattfindende Tag der offenen Moschee, an dem deutschlandweit cirka 1000 Moscheen ihre Türen für Nichtgemeindemitglieder, insbesondere für Nichtmuslime öffnen. Oft gibt es ein besonderes Programm, wie einen Vortrag, ein Podiumsgespräch, ein Konzert oder anderes.
Die zur DITIB gehörende Moschee An der Esche in Bonn bot dieses Jahr in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk Bonn, der EMFA-Integrationsagentur und dem Bonner Institut für Migrationsforschung e.V. (BIM) ein Podiumsgespräch zum Thema „Nachbarschaft im Islam und Christentum“. Auf dem Podium saßen Hidir Celik von der EMFA und vom BIM, Rainer Kaps vom KBW, Coletta Manemann, die Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn, Mehmed Aksar von der Moschee An der Esche, der neue Imam der Moschee und Tekin Celiköz, ein Muslim, der nicht der Gemeinde angehörte.
Manemann erklärte, dass vor allem im Bonner Norden sehr viele verschiedene Ethnien mit- aber auch nebeneinander lebten. Das Nebeneinander, die Trennung unterschiedlicher Lebenswelten empfänden vor allem alte Leute und Mütter mit Kindern als sehr intensiv. Wünschenswert sei so etwas wie ein Stadtteilzentrum, in dem sich alle treffen könnten, aber das sei unrealisierbar. Wichtig sei deshalb einfach das Sich-Öffnen füreinander. Wichtig für Religionsgemeinschaften wie zum Beispiel Moscheegemeinden sei es, die Nachbarn rund herum einzuladen, auch nichtreligiöse.

Celiköz betonte, im Islam gebe es Nachbarschaftspflichten, wie die, seine Nachbarn gut zu behandeln, ihnen zu helfen, ihnen bei Krankheit beizustehen, ihnen nicht nachzuspionieren, und das unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Wichtig sei es, dass Nachbarn im gegenseitigen Vertrauen leben können.

Akzar, der in der Moscheegemeinde für Öffentlichkeits- und Jugendarbeit zuständig ist, erzählte von einer Fragebogenaktion in der Bonner Altstadt, bei welcher die Leute über ihre Empfindungen bezüglich der Präsenz so vieler Ausländer in der Stadt befragt wurden. Die Antworten seien positiver als erwartet ausgefallen. Eine deutsche Studentin habe sich aber darüber beschwert, dass sie von ihrem türkischen Vermieter als Frau nicht ernst genommen fühle. Akzar sagte aus der Perspektive eines Familienvaters, dass der Kontakt zu Nachbarn am besten über die Kinder laufe.

Celik sagte, wichtig sei es, sozialraumorientiert zu arbeiten, womit er meinte, auf der Stadtteilebene. Wir sollten für eine respektvolle, aufgeklärte und vorurteilsfreie Gesellschaft arbeiten und zudem perspektivisch auf die Zukunft ausgerichtet.

Es kamen auch Fragen und Beiträge aus dem Publikum. Zum Beispiel wurde das Problem der im Ramadan fastenden Jugendlichen angesprochen, die in dieser Zeit keine volle Leistung in der Schule und beim Sport bringen könnten. Manemann sagte, dass dieses Problem in letzter Zeit sehr häufig angesprochen werde. Akzar erklärte, dieses Problem müsse auf der Ebene des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland behandelt werden, denn nur der sei befähigt, verbindlich für alle Muslime in Deutschland zu sprechen. Wichtig sei es aber, dass die Erwachsenen, die Eltern und Lehrer darüber ins Gespräch kämen und dass das Problem nicht auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen werde.

Akzar hielt uns Deutschen auch den Spiegel vor, in dem er sagte: Die Deutsche wollten immer als Individuen angesprochen werden, während die Ausländer gerne anhand einiger Merkmale in einen Topf würden. Wichtig sei es, detailliert und differenziert hinzugucken.
Ein anderes Problem sei das Problem der mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache vor allem bei türkischen Frauen. Die von mehreren Institutionen angebotenen Sprachunterrichte würden zu wenig nachgefragt. Celiköz meinte, die Angebote seien oft zu wenig auf die Bedürfnisse der Frauen zugeschnitten. Es fehle zum Beispiel an Kinderbetreuungen zu dieser Zeit. Ansonsten seien gerade die Frauen daran interessiert, deutsch zu lernen. Celik sagte, ein türkisches Sprichwort sage sogar: Jede Sprache, die man lernt, eröffnet neue Welten und neue Türen.

Der neue Imam der Moschee An der Esche spricht jedenfalls noch kein Deutsch. Aber er hatte eine Begrüßungsrede auf Deutsch auswendig gelernt. Alle Achtung!

Somit ging das Gespräch eigentlich weniger über Christentum und Islam, als über Einheimische und Migranten. Gerade für Migranten in der Diaspora, so erklärte Kaps, sei aber die Religion ein wichtiger Stabilitätsfaktor.

Wir saßen anschließend noch gemütlich beim Tee zusammen. Nachbarschaft kann sehr schön sein, wenn man es will. Schade nur, dass keine weiblichen Gemeindemitglieder zu der Veranstaltung gekommen waren, während Frauen unter den Gästen die Mehrheit bildeten.

MAS

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IV.2.) "Absender Islam: Ein Brief an die christliche Welt. Öffentlicher Vortrag und Podiumsdiskussion zum 1. Jahrestag der Veröffentlichung 'A common word between us and you'" am 13.10.2008 in der Uni Bonn

im Netz unter:
http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=874 mit Fotos!

Von Michael A. Schmiedel, M.A. mit Unterstützung von Dr. Jeannette Spenlen


Das Zentrum für Religion und Gesellschaft ZERG der Universität Bonn lud am 13. Oktober in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Forum Bonn, dem Katholischen Bildungswerk Bonn und dem Rat der Muslime in Bonn zu einem überaus spannenden Vortrags- und Diskussionsabend in den ehrwürdigen Festsaal der Uni ein. Der Zulauf der Interessierten war so groß, dass noch Stühle herein getragen werden mussten.

Der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Stephan Conermann von der Uni Bonn führte moderierend durch den Abend, sein Vorvorgänger auf dem Lehrstuhl für Islamwissenschaft Prof. em. Dr. Stefan Wild hielt den Hauptvortrag, auf den Prof. Dr. Jamal Malik, Islam- und Religionswissenschaftler von der Universität Erfurt eine Respons vortrug. Zusätzlich standen anschießend Dr. Thomas Lemmen vom Referat für den Interreligiösen Dialog des Erzbistums Köln und von der Christlich-Islamischen Gesellschaft und Prof. Dr. Günter Röhser, evangelischer Theologe an der Universität Bonn für Kommentare und Fragen zur Verfügung.

Stefan Wilds Vortrag analysierte die Reaktion von muslimischer Seite auf die berühmt-berüchtigte Rede von Papst Benedikt XVI. an der Uni Regensburg im Dezember 2006. Der Papst hatte damals einen byzantinischen Kaiser zitiert, der sich sehr despektierlich über den Propheten Muhammad und die von ihm gestiftete Religion, den Islam, geäußert hatte. Der Islam sei eine Religion der Gewalt und der Unvernunft, von der nur Böses kommen könne. Muslimische Protestdemonstrationen und sogar Mordanschläge auf Christen gingen anschließend durch die Medien. Auch erwähnt wurde, dass eine Delegation muslimischer Gelehrter eine Audienz beim Papst erhielt. Aber was es nun damit genauer auf sich hatte, das ging im Wust der Horrormeldungen unter.

Es waren zunächst 38 Gelehrte, die noch 2006 einem Ruf des jordanischen Königshauses in Amman folgten, und einen Brief an den Papst, diverse andere christliche Oberhäupter und die ganze Christenheit verfassten, dem sich später, am 13.10.2007, dem letzten Tag des muslimischen Fastenmonats Ramadan, 100 weitere Gelehrte anschlossen. Es waren Muftis aus verschiedenen europäischen und asiatischen Ländern, Sunniten und Schiiten und die Dekanin der Mädchenabteilung für Theologie an der ägyptischen Al-Azhar-Universität. darunter. In diesem Brief riefen sie zu “einem gemeinsamen Wort zwischen uns und euch” auf. Der Brief war in einem freundlich-kritischen Ton und ohne jede Polemik verfasst. Die Verfasser riefen die Christen dazu auf, den Koran genau so zu respektieren, wie sie die Bibel respektierten und nannten die Gottes- und Nächstenliebe als wesentliche Gemeinsamkeiten der beiden Religionen.

Wild betonte, dass dieses Unterfangen einen bislang so nicht gekannten muslimisch-ökumenischen Geist zeige, wenn es auch zu bemerken war, dass Vertreter des türkischen Islam ganz fehlten und von deutschen Muslimen nur Murad Hoffmann den Brief unterschieben hatte, nicht aber eine Größe wie Tariq Ramadan. Wild fragte auch etwas kritisch nach, ob denn die Nächstenliebe im Koran tatsächlich eine Rolle spiele, die der im Neuen Testament der Bibel entspreche. Die Gelehrten haben dieses Doppelgebot vor allem aus der Hadith-Literatur abgeleitet. Als weiteren Kritikpunkt nannte er die Anknüpfung der Formulierung des gemeinsamen Wortes an in der muslimischen Geschichte häufige Formulierungen, die zum Übertritt zum Islam aufriefen.

Aufrufe zum Dialog hat es laut Wild von muslimischer Seite immer gegeben, aber dass im Gefolge des Briefes der 138 sogar das Saudische Könighaus den Dialog unterstützt, das sei doch eine unerhörte Neuigkeit. Aber tatsächlich luden diese Vertreter des strengen wahabitischen Islam im Juli 2008 zu einem großen interreligiösen Treffen nach Madrid ein. Diese Wirkung des Briefes brachte es mit sich, dass er als ein Meilenstein oder gar als ein Quantensprung der islamisch-christlichen Beziehungen bezeichnet wurde, vor allem da das Verhältnis einen erschreckenden Tiefpunkt erreicht hatte, was auch mit der US-amerikanischen Außenpolitik zusammen hängt. Einige evanglikale und anglikanische Geistliche trauten dem Brief aber nicht und wiesen besonders die Behauptung zurück, Muslime und Christen verehrten den selben Gott. Auch jüdische Kreise, an die, als Teil der Gläubigen, der Brief auch adressiert war, reagierten teils begeistert, teils eher vorsichtig.

Wild beendete seinen Vortrag mit der Frage, ob der Dialog auf dieser hohen akademischen Ebene auch die Probleme der Gläubigen im Alltag lösen könne. Dieser Dialog habe einen symbolischen Charakter, aber die sozialen Probleme seien oft handfester. Nichtsdestotrotz stehe es um den Dialog nun besser als vorher.

Jamal Malik machte in seiner Response darauf aufmerksam, dass die Rede des Papstes auf ein viel größeres Medieninteresse gestoßen war als der Brief der muslimischen Gelehrten. In neun Punkten raisonierte er über die Rede, den Brief und die Folgen. Die Regensburger Rede habe wohl deshalb so viel Widerhall verursacht, weil sie gegen die Marginalisierung von Religion in der modernen Gesellschaft argumentierte. Sie betone einen Diskurs der Religionsgemeinschaften, um sich selber nach außen zu festigen. Die Rede sei von einem Kulturpessimismus gekennzeichnet. In der Folge zeige sich nun aber ein Sich-öffnen zweier bisher monolitischer Glaubensblöcke. Die Muslime wechselten von einem vom Kolonialismus geprägten Abgrenzungsdiksurs zu einer Erfindung gemeinsamer Normen. Die Abgrenzung bleibe aber in der Formulierung “zwischen uns und euch” noch bestehen. Die Frage nach der eigenen Identiät sei ein sehr wichtiges Instrument der Integrationspolititk. In vielen Diskursen würden Muslime “islamisiert”. Aber plurale Identiäten bedeuteten Ambivalenzen und auch Chancen. Malik verwies auf Martin Bubers Ansicht, dass man nur über das Du zum Ich gelangen könne.

Thomas Lemmen betonte, dass der interreligiöse Dialog nicht erst mit dem Brief der muslimischen Gelehrten begonnen habe, dieser aber eine hohe symbolische Wirkung habe. Er sei von Respekt und Sorge um das Seelenheil geprägt und ermutige die Muslime, die sich schon im Dialog engagierten, das auch weiterhin zu tun. Er war im Juli 2008 bei dem schon erwähnten vom saudischen König organisierten interreligiösen Treffen in Madrid dabei gewesen und meinte, auch das Gegenseitige Händeschüttlen von Religionsvertretern, die sich bisher noch mit großen Vorbehalten gegenübergestanden hätten, sei von großer symbolischer Bedeutung. Von deutschen Muslimen werde der Brief noch nicht so sehr rezipiert, weil diese zumeist türkischstämmig seien. Aber die Verlautbarungen aus der Türkei würden dem Brief der Gelehrten nicht widersprechen und es gebe bei der DITIB viel Nachdenken über den ihn.

Günter Röhser lobte Sorgfalt, mit der in dem Brief religiöse Texte miteiander verglichen worden sind. Bis in feinste Verästelungen würden Bibel- und Koranstellen miteinander verglichen und hermeneutisch bearbeitet aus dem Interesse heraus, einen “common ground”, einen gemeisamen Grund beider Bücher als Ausgangspunkt zu finden.
Ob nun die Gottes- und Nächstenliebe tatsächlich die Mitte oder das Wesen der beiden heiligen Bücher ausmache, sei eine müßige Frage. So oft kämen beide Werte in beiden Büchern gar nicht vor, aber darum gehe es auch gar nicht. Die Autoren des Briefes hätten das Interesse, Gemeinsamkeiten zu finden, die freundliche Seite der Texte hervorzuheben und unheilvollen Traditionen zurückzustellen.
Das sei vielleicht nicht das Wesen der Texte, aber sehr wichtig. Dieses Gemeinsame sei weniger dogmatischer als religiös-ethischer Natur. Es werde zu einem Verhalten eingeladen, unddies sei ein Beitrag zum Weltfrieden. Auch wenn zum Beispiel die Religionsfreiheit aus Bibel und Koran hergeleitet würden, sei das zwar nicht so einfach, aber zeuge vom guten Willen der Autoren.

Die anschließende Fragerunde zeigte, dass der Dialog noch nicht sehr tief begründet ist. So fragte ein Zuhörer, warum Christen für Greueltaten aus der Vergangenheit um Entschuldigung bäten, Muslime aber nicht. Wild antwortete, Schuldbekenntnisse seien zwar in der christlichen Religion üblicher als in der islamischen, aber sehr wohl gebe es solche auch. Wichtiger als Vergangenes zu bedauern sei aber das Vorausdenken in die Zukunft und da sei Selbstkritik wichtiger als Kritik an anderen. Auch wurde nach der historisch-kritischen Forschung gefragt, die Christen mit der Bibel viel intensiver betrieben als Muslime mit dem Koran. Röser sagte, auch bei Muslimen sei da viel in Bewegung. Der Fall Kalisch ist aus der Sicht von Malik, der darin mit Prof. Dr. Gudrun Krämer von der FU Berlin übereinstimmt, besonders diffizil, weil Prof. Dr. Muhammad Sven Kalisch Religionslehrer ausbilde, und diese nicht nur eine historisch-kritische, sondern eine dogmatische Ausbildung erhielten, und da komme es zu Widersprüchen. Solange man dogmatische Ausbildungen für wichtig halte, komme man aus diesen Widersprüchen auch nicht heraus.

Soweit mein Bericht über diesen Vortrags- und Diskussionsabend. Wer nun neugierig geworden ist, was denn die 138 Gelehrten im Wortlaut geschrieben haben und nach guten Übersetzungen aus dem Arabischen sucht, sei auf die englische Übersetzung verwiesen, die, wie Wild meint, besser sei als die Deutschen Übersetzungen, die es auch gibt.
Diese findet man hier: http://www.acommonword.com/

Wer die Redes des Papstes nochmal im Wortlaut lesen möchte, findet sie her: http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=94864

Und wer sich über die Veranstalter des Abends informieren möchte, kann das hier tun:

ZERG:
http://www.uni-bonn.de/www/zerg.html
Evangelisches Forum Bonn:
http://www.ekir.de/bonn/KKBonn_Kirchenkreis_28845.asp
Katholisches Bildungswerk Bonn:
http://www.erzbistum-koeln.de/bildungswerk/bonn/
Rat der Muslime in Bonn:
http://muslimrat-bonn.de/

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IV.3.) Gemeinsam auf dem Friedensweg – 25 Jahre Dialog der Religionen in Witten – am 18.10.2008

in Netz unter:
http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=903 mit Fotos!

von Michael A. Schmiedel

Seit 1983 gibt es in Witten im Ruhrgebiet einen funktionierenden interreligiösen Dialog, der damals als christlich-muslimischer begann, sich aber bald auf Juden, Buddhisten, Hindus, Sikhs und Baha’i ausdehnte. Das so entstandene Forum Religiöser Begegnung (FRB) trat 1992 der World Conference on Religion and Peace (WCRP), heute Religions for Peace (RfP) bei. Von Anfang an war der evangelische Pfarrer Dietrich Schwarze der “Haupträdelsführer” und ist es auch heute noch, eine Kontinuität, die sich ausgezahlt hat. Am 18.10.2008 feierte die RfP-Gruppe Witten ihr 25-jähriges bestehen mit einem interreligiösen Friedensweg am Nachmittag und einem Festvortrag von Prof. Dr. Karl-Josef Kuschel am Abend.

Dem Friedensweg vorausgehend fand eine Regionalkonferenz der RfP-Gruppen Witten, Köln/Bonn und Rhein/Main in der Moschee der Bosnischen Muslime statt. Der Friedensweg startete aber an der Katholischen St. Franziskus-Kirche und führte wieder zur Bosnischen Moscheegemeinde, dann weiter zur Gedenkstelle der ehemaligen Synagoge, die 1938 zerstört worden war, zum Islamischen Kulturverein Witten (türkisch), zum Rathausplatz und zuletzt zur evangelischen Johanniskirche, wobei die Gebäude aus Zeitgründen nicht betreten wurden. Zirka 80 Menschen und ein Pudel nahmen an dem Friedensweg teil. Viele trugen Schilder mit dem Namen ihrer Gemeinde oder RfP-Gruppe oder aber für eine Religion, die keine Vertreter dabei hatte. An jeder Station wurden Gebete gesprochen, nicht nur von der Religion, zu der die jeweilige Station gehörte, sondern auch andere, so auch Baha’i- und Hindu-Gebete vor einer Moschee, Sikh-Gebete vor einer Kirche und so weiter. Vor dem Rathaus gab es eine rhythmische Auflockerung in Form eines Trommelkonzertes der Barulheiros de Stockum, einer Band deutscher Jugendlicher, die sich auf brasilianische Trommelmusik spezialisiert haben.

Der Festakt am Abend im Gemeindesaal der Johanniskirche wurde an die Geschichte des interreligiösen Dialoges in Witten erinnert, zum Beispiel auch daran, wie zu Anfang Unmut Vorbehalte und Absolutheitsansprüche alles beherrscht haben und man schließlich herausfand, des es doch klappen kann. Hilfreich dabei waren aber auch ganz konkrete Hilfestellungen beim Umgang mit Behörden und dergleichen, die Dietrich Schwarze den muslimischen Gemeinden gab, denn so konnte Vertrauen wachsen. Grußworte zum Beispiel des evangelischen Superintendenten Ingo Neserke und des RfP-Deutschland-Vorsitzenden Dr. Franz Brendle und der zahlreichen Aktiven bei RfP-Witten leiteten den Festvortrag des Ehrengastes ein.

Prof. Dr. Karl-Josef Kuschel ist Theologe am Institut für Ökumenische Forschung in Tübingen in dem unter anderem über die Voraussetzungen und Grenzen eines Beitrages der Weltreligionen zu einem globalen Ethos geforscht wird. An diesem Abend sprach er zum Thema: "Jeder Mensch ein Abbild Gottes. Konsequenzen für das Miteinander der Religionen“. Er verglich dabei die jüdisch-christliche Vorstellung vom Menschen als Ebenbild Gottes mit der muslimischen Vorstellung vom Menschen als Stellvertreter (Khalif) Gottes auf Erden. Somit war sein Vortrag abrahamitisch-ökumenisch angelegt, aber Kuschel legte Wert darauf, andere Religionen nicht ausschließen zu wollen, sondern nur exemplarisch zu reden. Er verwies darauf, dass die im Grundgesetz garantierte Unantastbarkeit der menschlichen Würde einen metaphysischen Hintergrund habe, nämlich das Unantastbare schlechthin. Gott habe in allen drei abrahamitischen Religionen dem Menschen einen Herrschaftsauftrag über die Erde gegeben. Dieser Auftrag sei kein Freibrief, sondern ein Verantwortungsauftrag. Der Koran betone dabei eher das kollektive Menschsein, die Bibel das individuelle, aber in beiden Schriften komme die Beschwerde der Engel bei Gott über diese Hochschätzung des Menschen vor. Gott aber vertraue dem Menschen, er gehe das Risiko Mensch ein.
Lange hätten Muslime und Christen die Gottesebenbildlichkeit und die Gottesstellvertreterschaft des Menschen polemisch gegeneinander ausgespielt, aber im Grunde ergänzten sich beide Konzepte einander sehr sinnvoll. Es gebe eine gemeinsame jüdisch-christlich-muslimische Agenda, die das Geschaffensein des Lebens und so auch des Menschen, die Unvollkommenheit des Menschen zwischen Paradies und Fremdheit, Versagen und Sterblichkeit, verbunden mit dem Appell zur Umkehr auf den Weg Gottes und die Verteidigung der Würde des Menschen beinhalte. Zwar sei das Wort „Würde“ griechischen Ursprungs und komme so weder in der Bibel noch im Koran vor, aber das worum es geht sei in beiden Büchern grundgelegt. Die menschliche Würde komme von Gott. Kein Mensch könne von sich aus sich oder einem anderen Menschen Würde verleihen, aber auch nicht aufkündigen. Die Würde sei kein Attribut des Menschen, keine Eigenschaft und auch kein Handeln des Menschen, sondern ihre Begründung liege im Unantastbaren schlechthin. Der Mensch sei kein Satz aus Bausteinen, sondern eine persönliche Idee Gottes.
Kuschel verwies am Ende seines Vortrages auf den jüdischen Komponisten Leonard Bernstein, der eine Komposition nach dem jüdischen Totengebet Kaddisch benannt habe, in der er Gott wegen der Verfehlungen der Menschen um Vergebung bitte und letztlich Gott darüber trösten wolle, dass sein Geschöpf so sei wie es ist. Der Mensch sei das größte Risiko Gottes, so dass man mit Gott Mitleid haben müsse. Wichtig sei der Glaube an das, was immer wieder zerstört werden kann.

Der letzte Satz klingt noch lange nach. Wir empfindlich ist das interreligiöse Dialog, das Gespräch und das Miteinanderleben von Menschen, die sich die Welt und den Sinn des Lebens unterschiedlich erklären und so verschiedene Vorstellungen davon haben, wie man richtig lebt und wie man nicht leben darf! Man kann leicht den Glauben daran verlieren, dass er möglich ist. Dieser Tag in Witten aber macht Mut, es immer wieder zu versuchen und dabei auch Risiken einzugehen.

Ein paar Links zum Weiterstöbern:
Religions for Peace Witten: http://www.wcrp-witten.de/
Barulheiros de Stockum: http://www.barulheiros.de/
Karl-Josef Kuschel: http://www.uni-tuebingen.de/uni/ogg/html/kuschel.htm

PS: Aufgrund leerer Batterien konnte ich nicht alles digital fotografieren, habe aber noch Dias.

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IV.4.) Hinweis auf andere Texte auf der Migrapolis-Deutschland-Seite

Stöbern Sie ruhig mal auf http://www.migrapolis-deutschland.de/ Da finden Sie auch noch Texte meiner Kolleg(inn)en, in der Rubrik „Religionen“ auch noch einen von Jeannette Spenlen zum Thema „Political thought in Islam: State, Religion and Governance. 4. Berlin Forum for progressive Muslims 16.-18. Oktober 2008 in Berlin“ in den anderen Rubriken von anderen Autor(inn)en, auch von mir.

Und es werden demnächst noch andere Veranstaltungsberichte von mir dort erscheinen, die zu schreiben ich noch nicht kam, zum Beispiel über einen erstklassigen Vortrag über Bob Dylan, über die erste Treffen des Arbeitskreises Muslime und Christen im Bonner Norden und dem Interreligiösen Dialoggkreis Bad Godesberg, die INTR°A-Jahrestagung und andere, die später dann auch im nächsten Interrel. Rundbrief rundgeschickt werden.

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IV.5.) Gedanken zum 70. Jahrestag der Reichkristallnacht

Dieser Text ist ganz neu und noch nicht auf der Migrapolis-Seite, kommt aber spätestens am Mittwoch drauf.

von Michael A. Schmiedel

In der Nacht vom 9. auf den 10.11.1938 brannten in Deutschland die Synagogen, angezündet von Nazis und Mitläufern. Das war der erste Massengewaltakt gegen die jüdische Bevölkerung Deutschlands, der in den darauf folgenden die Massenmorde der Schoah folgten.

In Berlin gedachten nun Würdenträger von Staat und Gesellschaft dieser Gräueltaten, verbunden mit der Einweihung einer neuen Synagoge. Ist jetzt alles wieder normal?

Ja und nein! Ja, es ist wieder alles normal in einem doppelten Sinne, zunächst dem, dass Juden heute hier in Deutschland frei und sicher leben können, als normale, gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft, nein in dem Sinne, als es noch immer oder schon wieder Nazi gibt, denen das nicht passt und die einer rassistischen und fremdenfeindlichen Ideologie nachhängen. Aber auch in einem zweiten Sinne ja, als gerade das Vorhandensein von Fremdenhass normal ist, auch wenn es nicht normal sein sollte. Ein Freund von mir schrieb mir mal, dass die Toleranz, die ich so gerne predige, die Masse der Menschen überfordere. Das gibt mir zu denken.

Immer wenn ich irgendwo auf einem Bürgersteig vor einem Haus einen oder gar mehrere dieser Stolpersteine aus Messing sehe, überkommt mich eine tiefe Trauer und eine Verzweiflung, wenn ich mir dabei die Situation vorstelle, in der die hier namentlich genannten Menschen von der Gestapo abgeholt wurden. Und als ich kürzlich in Witten und nun auch mal wieder hier in Bonn die Gedenkstelle der 1938 zerstörten Synagoge besuchte, war es genau so. Der Kontrast zwischen dem herrlichen Gebäude, das damals in Flammen aufging und der kleinen neuen Synagoge, die heute in Bonn in der Tempelstraße steht, ist ein schmerzliches Zeichen dafür, dass die jüdischen Gemeinden heute kleiner sind als sie es damals waren. Dass sie nun durch den Zuzug von Juden aus den GUS-Staaten wieder wachsen, tröstet nicht. Ich frage mich, warum passierte das gerade in Deutschland, in dem Land, in dem 300 Jahre zuvor schon mal ähnliches passiert ist, als Hunderttausende von Menschen auf den Scheiterhaufen der Hexenverfolgung verbrannten.

Und nun kommt etwas, was leicht als verharmlosende Relativierung missverstanden werden kann: Ich schaue in die Welt und sehe, dass es nicht nur hier vorkam, sondern quasi überall auf der Welt. Überall gab es Genozide, Pogrome und dergleichen, teils verbunden mit der Eroberung eines Landes durch ein einwandernde Volk oder dessen Armee, teils verbunden mit der fanatischen Abwehr von Menschen, die in das eigene Territorium hinzugezogen sind auf der Suche nach Arbeit, Freiheit, Wohlstand oder sonst wie einem besseren Leben. Im Angesicht dessen scheint mein Freund Recht zu haben. Wären wie Menschen so Fähig zu Toleranz wie ich mir das wünsche, würde so etwas nicht vorkommen, nicht so oft, nicht so häufig. Ich will damit die Schoah nicht verharmlosend relativieren. Die Nazis schafften es, den Massenmord zu einer Industrie zu machen. Das gab es in diesen Ausmaßen sonst nie und nirgends. Sie schafften es, ein ganzes Volk zu Mittätern zu machen, abgesehen von wenigen, die ihr Leben aufs Spiel setzten oder gar opferten, um dagegen anzugehen oder zumindest nicht mit zu machen.

Soziologen und Psychologen haben Erklärungen für solche Phänomene. Man kann sie vielleicht dahin gehend auf einen Punkt bringen: Geht es den Menschen gut, sind sie friedlich, geht es ihnen schlecht, sind die kriegerisch. Und man kann es Menschen auch einreden, dass es ihnen schlecht geht, um sie aufzupeitschen und in eine bestimmte Richtung zu lenken. So gesehen kommt den Wirtschaftern eine besondere Verantwortung zu: Schaffen sie es, den Menschen ein gutes Einkommen zu verschaffen und sie mit Waren und Dienstleistungen, die sie sich leisten können, zu versorgen, dann bleiben die Massen friedlich und dulden auch gerne Menschen in ihrer Nachbarschaft, die anderes leben, anderes glauben, anders reden, sich anders kleiden, anders orientiert sind, eine andere Hautfarbe haben, wo anders her kommen. Fehlt es aber an Lebensmitteln, Geld und so weiter, kommt Neid auf und Missgunst, man sucht Schuldige, geht Demagogen auf den Leim.

Doch abgesehen von dieser Massenpsychologie gilt es auch je für sich selber nach Möglichkeiten zu suchen, sich selbst auch in Krisenzeiten unanfällig für Fremdenhass zu machen. Da kenne ich nur ein Doppelrezept oder ein doppeltes Doppelrezept: Schulung in Liebe und Erkenntnis oder Mitgefühl und Weisheit und zwar in Bezug auf sich selbst und auf die Anderen, also Selbst- und Nächstenliebe und Selbst- und Anderenerkenntnis. Die religiösen und philosophischen Traditionen, Schulrichtungen und so weiter haben in dieser Hinsicht einiges entwickelt, moderne Psychologen und Therapeuten liefern das ihre dazu. Und auch diverse Vereine und Organisationen bieten Möglichkeiten, andere, fremde Menschen in ihrem jeweiligen Sosein kennen und lieben zu lernen.

Nur, da hat mein Freund wohl Recht: Die Massen erreicht man so nicht, das merke ich ja auch, wenn ich diverse Veranstaltungen besuche. Bleibt also eine Kombination von beidem als notwendig: eine gesunde Wirtschaft und das Streben nach Weisheit und Mitgefühl zu fördern. Greift beides, können die Demagogen brüllen und locken wie sie wollen, sie werden keinen Erfolg haben.

Schalom!


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V.) off-topic: Musikrezensionen

V.1.) Festivalbericht: 18. TFF Rudolstadt vom 4. bis 6.7.2008 in Rudolstadt

Ich halte mich aus Zeitgründen etwas kürzer als sonst. Wer spezielle Fragen hat, kann diese mir gerne zuschicken.

Nach Thüringen zu fahren war im letzten Wintersemsester wegen meiner Lehraufträge in Jena ja wöchentliche Routine für mich. So war die Bahnfahrt per ICE über Frankfurt bis Eisenach nichts Besonderes für mich, aber die Weiterfahrt von dort über ... (Ortsname vergessen, jedenfalls kurz vor Erfurt) nach Suhl-Dietzhausen mit der Süd-Thüringen Bahn durch den Thüringer Wald war was Neues. Aber ich will hier ja keinen Eisenbahnbericht schreiben, sondern einen Musikbericht. Samstagsmorgens, also am 5.7., fuhren Lothar, Petra und ich jedenfalls im Auto des Erstgenannten durch die wirklich sehr schöne Landschaft des Thüringer Waldes nach Rudolstadt, wo wir alsbald in die geliebte und mittlerweile gewohnte entspannte Musikatmosphäre eintauchten. Ich war ja etwas gestresst und dacht, aber der Stress verflüchtigte sich bald, Töne und Rhythmen drangen in meine Nervenbahnen und lockerten diese in höchst angenehmer Weise auf.

Nun ja, zuerst waren es die Töne die Folker!-Kolleg(inn)en beim Dienstgespräch, doch bald waren es die Töne der Band Lavatera aus Camin in Meck-Pom, die auf dem Theaterplatz mit Viloine, Dudelsack, Posaune, Kalimba, Udu, Gitarre und Gesang alte und neue Weisen aus verschiedenen Jahrhunderten unseres Landes zum Besten gaben. Die hörten wir nur nebenbei bei Cappuccini, derweil wir uns mit Hilfe des Kataloges orientierten, wo denn nun der Bär zu steppen gedachte.

Diesen Bär gedachten wir dort aufzusuchen, wo er uns mittanzen ließ, nämlich im Tanzzelt in Heinepark auf der anderen Saaleseite. La Machine hieß die Combo aus Französisch Landen, die mit Drehleier, Sackpfeifen, Akkordeon, Bass und Percussion zum Tanze aufspielte. Lothar zeigt sich in solchen Situationen eher unbeweglich, aber Petra und ich versuchten uns in einigen BalFolk-Tänzen. Dass ich bei einer eigentlich nicht so sehr schwierigen Bourée meiner Liebsten auf den Fuß trat, minderte unsere Stimmung nur wenig. Richtig guten Tänzerinnen und Tänzern zuzuschauen war noch mal mehr ein ästhetisches Vergnügen besonderer Art.

Nebenan bei Rast im Park, wie eine kleine Bühne genannt wurde, spielte Zucker & Zimt, ein Sechstett aus Berlin mit einer wilden Mischung aus Gipsy-Folk, BlueGrass, Irish Folk, Klezmer und manchem mehr, welches sie „Global Folk“ nennen. Wäre da tatsächlich der Bär da gewesen und nicht nur sprichwörtlich, der wäre aus dem Tanzen gar nicht mehr raus gekommen. Leider hörten wir von ihnen nur die letzten drei Stücke.

Und wieder zurück im Tanzzelt begnügten wir uns damit, den Tänzerinnen und Tänzern zuzusehen und der ungarischen bis moldawischen Musik von Öves (gesprochen: Öwesch) zu lauschen. Mir persönlich gefallen die singenden Geigen in der ungarischen Spielweise auf die Dauer nicht so sehr. Umso mehr ging es mir ins Blut, als sie auf die moldawischen Tänze übergingen, zu denen mit Laute, Flöte und percussiver Unterstützung auf urige Weise aufgespielt wurde. Mich wundert es ja immer wieder, zu sehen, dass es Leute gibt, die all die Tänze können. Na gut, die meisten brauchten die angebotene Anleitung, aber andere tanzten so wild entschlossen drauf los, dass man ihnen die lange Übung ansah. Es waren nicht die selben Tanzenden wie bei La Machine. Ob das alles Leute sind, für die Frankreich bzw. Ungarn bevorzugtes Urlaubsland ist?

Nicht weit vom Tanzzelt im Konzertzelt tauchten wir sodann in eine noch mal andere Musikwelt ein. Riserva Moac aus der mittelitalienischen Region Molise. Dieses Septett sang und spielte deftigen italienischen Folk Rock auf Gitarren und Schlagzeug, Flöten, Dudelsack und Schalmei, Akkordeon und Geige und viel Gesang, eigentlich ähnlich, wie hierzulande so manche Mittelalter Rock Band spielt. Und passend zur Rock-Musik waren auch die einröhrigen Beinkleider zweier der Musiker. Überhaupt sah ich erst nach diesem Konzert noch andere männliche Rockträger und kam auf ca. 10 bis 20 im Laufe der beiden Tage. Ach wenn dass doch alltäglicher Durchschnitt wäre, dann würden meine Schülerinnen, denen ich in Bonn Hausaufgabenhilfe und Sprachförderung gebe, das auch endlich auf die Reihe kriegen, dass auch wir Männer ... Lassen wir das, Ihr kennt das ja (wenn nicht, fragt nach), kommen wir zur Musik zurück. Das Zelt bzw. die darinnen standen, tobten und hüpften, fehlte nur noch, dass sie pogueten. Schnell und laut war es und mitreißend, auch wenn man die italienischen Texte nicht verstand. Nur auf die Dauer war es etwas eintönig, aber es dauerte ja nur eine Stunde, das ging noch gut.

Schon wieder nicht weit mussten wir nun zur Großen Bühne im Heinepark gehen, wo die Madagascar All Stars, fünf Musiker, die sich in dieser Formation extra für das TFF zusammen getan hatten. Ich erinnere mich jetzt nur noch an eine fröhliche, rhythmische Musik mit Gesang, Gitarren, Akkordeon, Perkussion und eine Stabzither namens Valiha, die sehr gute Laune machte, kann mehr aber nicht beschreiben.

Unser Weg führt uns danach endlich wieder auf die linke Saaleseite und zwar direkt hinauf auf die Heidecksburg zur Kürung der diesjährigen RUTH-Preisträger.
Die Deutsche Ruth ging an Bobo, die deutsche Volkslieder auf eine neue, etwas jazzige, leicht minimalmusikalische Weise interpretierte. Ich vernahm rund um mich herum einige Stimmen, die Verwunderung darüber äußerten, dass sie den Preis erhielt. Ich kann das nicht beurteilen, da ich nicht weiß, wer die Konkurrenten waren, aber so schlecht fand ich es jedenfalls nicht, wenn auch nicht gar so überragend wie z.B. Deitsch. Warum schlägt die eigentlich niemand vor?
Die EhrenRuth erhielt für ihr Lebenswerk, also für 39 Jahre Bühnenpräsenz die Band Embryo, die seit 1969 Weltmusik präsentiert, also schon anfing dabei, ehe Musikvermarkter diesen Begriff für sich entdeckten. 15 Musiker(innen) waren es auf der Bühne, die eine Fusion von Musikstilen unterschiedlicher Provenienz zu Gehör brachten, auf zahlreichen Zupf-, Blas-, Schlag- u.a. Instrumenten und mit menschlicher Stimme obendrein. Letztlich wurde es mir ein bisschen zu rhythmisch und zu wenig Melodiös und endete in einem Crescendo eines Hackbrett-Duelles.
Es gab noch eine EhrenRuth, nämlich für Christoph Borkowsky, einem Musikethnologen,, der nicht nur über Musil und Widerstandsbewegung in Deutsch-Südwestarkika geforscht hat, sondern, sondern das Label Piranha gegründet und viel für die Weltmusikmesse WOMEX getan hat.
Nahezu total begeistert war ich von Sarband, die die GlobaleRuth erhielten. Es sind sieben Leute, beheimatet zwischen östlicher und südlicher Mittelmeer- und nördlicher Ostseeküste, die sich der Pflege jüdischer, christlicher und muslimischer Musik aus Orient und Okzident aus verschiedenen Jahrhunderten verschrieben haben. Uds, Rahmentrommeln, Harfen, Gitarren und auf gar keinen Fall zuletzt Stimmen entführten uns in die Welt von Al-Andalus, in die Urformen das Flamenco, in höfischen Gesang und der gleichen. Alles wurde sehr ernst und feierlich vorgetragen, und trotzdem wurde es mir keine Sekunde langatmig. Und als dann auch noch ein schwedischer Hirtinnengesang hinein gewoben wurde und dieser nicht als Fremdkörper wirkte, war ich wirklich ganz hin und weg. Alöso die haben den Preis ganz bestimmt verdient!

Den Samstag schlossen wir dann aber wieder ganz anders ab, nämlich mit dem argentinischen HipHop-Trio Actidud María Marta. Mensch, hatten die eine (Frauen)Power! Auch wenn man nur oder viel mehr kein Spanisch versteht konnte man sich der mitreißenden Kraft ihrer Lieder kaum erwehren, auch nicht hinten in der letzten Reihe. Zwischendurch holten sie mal einige Zuhörer auf die Bühne, ein kleiner fünfjähriger Junge durfte auch mal ein ganzes Lied lang auf der Bühne tanzen, was ihn wohl so ermüdete, dass er anschließend vor der Bühne einschlief, was auffiel, als er noch mal auf die Bühne sollte, aber nicht kam. Ein deutscher HipHopper aus dem Publikum brachte spontan einen seiner Texte in ein Lied rein, blieb dann aber hängen. Das ist auch eine Art Völkerverständigung! Wir waren dann auch müde und machten uns auf den Heimweg nach Suhl-Dietzhausen ...


...das wir am nächsten Morgen wieder in Richtung Rudolstadt verließen, wo wir sogleich wieder den Heinepark aufsuchten. Das diesjährige Magieinstrument war die Rahmentrommel, und Wolfgang Meyering hatte die internationalen Rahmentrommler auf der Großen Bühne versammelt. Diese gaben sich mit großen und kleinen Rahmentrommeln, mit und ohne Schellen, mit Hand oder Klöppel geschlagen ein furioses Stelldichein. Da klang es irisch und israelisch, italienisch und brasilianisch, tschadisch und amerikanisch und auch deutsch.

Wir wechselten sodann in die Innenstadt auf den Neumarkt, der ausnahmsweise mal gar nicht überfüllt war. Dieses Jahr gab es ja mal wieder eine Schwerpunktregion auf dem TFF, und zwar Sachsen. Und in Sachsen gibt es eine ethnische Gruppe mit einer Sprache, die es nur dort gibt, die Sorben. Und bei den Sorben sind Dudelsäcke traditionelle Musikinstrumente, wiewohl ich nicht weiß, ob die Tradition ungebrochen oder wiederbelebt ist. Das müsste ich mal herausfinden. Sprjewjan ist jedenfalls so ein Ensemble, das sich traditionellen sorbischen Musik verschrieben hat, die sie auf Dudelsäcken, Geigen, Gitarre und Gesang zum Besten gaben. So wie Sorbisch eine slavische Sprache ist, so gibt es auch Musikverwandtschaften im benachbarten Polen und Tschechien. Und mir gefielen diese lustigen Melodien sehr gut!

Ich musste dann erst mal ein Zwangspause einlegen bzw. einen Zwangsmarsch antreten, nämlich zum Auto um mit dort Lothars Camera zu holen, denn meine – d.h. die von meinem Neffen, da meine eigenen Cameras alle defekt waren – hatte den Geist bzw. die Batterie aufgegeben. Und derweil ich da auf dem Weg an noch einigen Straßenmusikern, zum Beispiel der Buschmusik Detmold mit einer kräftigen New Orleans-Musik, vorbei war, ertönte weit über die Dächer der Stadt hinweg die Musik von Tizmoret, die oben auf der Heidecksburg eine jüdisch-roma-irakisch-türkische Hochzeitsmusik und anderes spielten spielten, und wo ich später dann auch die andern zwei wieder traf. Von Tizmoret bekam ich nur noch die letzten Töne in optischer Entfernung mit, und so habe ich die einzigen eingeplanten Vertreter des Länderschwerpunktes Israel leider verpasst.

Hatten wir die ganze Zeit über Sonnenschein, passte sich das Wetter anschließend der Heimatland der Musik von Gráda an. Ich sage nicht, dem Wetter des Heimatlandens von Gráda, deren deren sind drei: Neuseeland, Australien und Irland, und letzteres ist auch das Heimatland von ihrer Musik. Kurzum: es fing an zu regnen. Und es regnete bis zum letzten Ton des Konzerts, um dann schlagartig der Sonne wieder Platz zu machen. Typisch irisch! Ich stand direkt vor der Bühne, Lothars Camera unter meiner Regenjacke, derweil deren Besitzer und meine Frau irgendwo unter ihren Schirmen kauerten. Mich störte der Regen wenig, ich war gefangen von dieser modernen, irischen und doch auch globalen Musik mit Low Whistles, Gitarren, Akkordeon, Kontrabass, Fiddle, Gesang und sogar Trompete und diese sogar mal mit einem Weinglas als Schalldämpfer. Auf Ideen muss man kommen! Die Trompete konnte freilich nicht mit den Reels schritthalten, aber begleitete sie mit interessanten, mal jazzig, mal mexikanisch klingenden Akkorden. Im der ersten Stehreihe im Publikum tanzten und sangen ein paar Jungs und Mädels ausgelassen mit, unbeindruckt von dem Nass von oben. So hatte ich doch noch mein Gráda-Konzert, denn als sie im Mai in Bonnspielten, war ich gerade in Rovereto. Näx meinte letztens, die CDs von ihnen gefielen ihm nicht so gut, da fehle das Mitreißende, life habe er sie noch nicht gehört. Nun Näx, life sind sie einfach super!

Auf der Burgterasse gab es dann noch nicht das Finish, aber finnische Musik, und zwar finnische Coutrymusik von Marko Haavisto & Poutahaukat. Nun ja, bestimmt hört sich für die Finnen Truck Stop nicht minder exotisch an, aber nachdem wir in Rudolstadt vor ein paar Jahren schon Countrymusik aus Taiwan gehört hatten, brachte uns nichts mehr aus der Fassung. Ob sich Coutrymusik überhaupt entwickelt hätten, wenn in den USA finnisch gesprochen würde, oder nicht vielleicht doch eher kanssa musiik und Hank Williams hieße Haankka Wiilliiaamsi. Spaß bei Seite: die Musik machte selbigen!


Die Gypsy Queens & Kings bildeten dann für uns das Finish des diesjährigen TFF. Spielte die Trompete bei Gráda nur Akkorde, so spielten hier mehrere davon Highspeed, und dazu Posaunen, Gitarren, Trommeln und dicke und dünne Damen in schönen Kleidern und Herren, die von der Mafia hätten sein können. Musik der Roma von Bulgarien bis Spanien, zuerst auf der Bühne, dann mitten im Publikum. Nun ja, der Geldeintreiber hätte nicht sein müssen! Aber die Musik war der richtige Ausklang von wieder einmal einem super guten Festival!



Lavatera:
http://www.lavatera-rostock.de/
La Machine:
http://www.lamachine.info/
Zucker & Zimt:
http://www.zuckerundzimt.info/
Öves:
www.hhrf.org/folkc/oves/oves.htm
Riserva Moac:
http://www.riservamoac.com/
Madagascar All Stars:
keine Netzpräsenz
RUTH:

Bobo:
http://www.lieder-von-liebe-und-tod.com/
Embryo:
http://www.embryo.de/
Sarband:
http://www.sarband.de/
Actidud María Marta
http://www.actidutmariamarta.com/
Magieprojekt Rahmentrommeln :

Die Buschmusik Detmold :
keine Netzpräsenz
Tizmoret:
www.myspace.com/tizmoretamamit

noch mehr Links nachtragen (da kam ich jetzt noch nicht dazu, aber googelt einfach selber)

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(geschrieben am 21.8.(01.09.2008); rundgeschickt am 26.9.2008)
V.2.) Konzertrezension: The McDates am 02.08.2008 auf dem Marktplatz in Bonn

Aus akutem Mußemangel nur eine Kurzrezi, da das Konzert zum Zeitpunkt des Schreibens schon über einen Monat zurück liegt.

In diesem Jahr war Frankreich der Schwerpunkt des Bonner Sommers. Nicht ganz, aber fast passend dazu, wurden die McDates aus Quebec, also der französischsprachigen kanadischen Provinz eingeladen, und im Untertitel der Ankündigung stand [nachgucken; in etwa: Irish Folk meets Cajun]. Da war ich natürlich sehr gespannt. Sechs aus zwei miteinander verwandten Familien stammende Leute standen auf der Bühne: Solon McDate mit dem Kontrabass, Shannon Johnson mit Geige und Gesang, Jeremiah McDate mit Low Whistle, Sopransaxophon und Gesang, Simon Marion mit Gitarre und Gesang, Francoir Teillefer mit Schlagzeug und Gesang, Andy Hillhouse mit Gitarre und Gesang und Jeff Bredshaw mit der Pedel Steel Guitar. Einer von denen spielte obendrein Akkordeon. Die Wurzeln der beiden Familien liegen passenderweise in Irland und in Frankreich.

Jetzt, etwa einen Monat später, ist mir vor allem noch das geniale Low Whistle-Spiel von Jeremiah in Erinnerung. Man muss so ein Ding mal spielen, ich sag gerne, ein Brecheisen mit Löchern drin, um zu spüren, wie sich die Finger auseinander spreizen, um die Löcher richtig schließen zu können. Und normalerweise spielt man damit langsame Stücke oder mal ein kurzes schnelles oder doch eher im mittleren Tempo. Er aber spielte rasende Reels so behände wie andere auf ihren kleinen Tin Whistles. Ich würde mal sagen: ich habe noch keinen so rasanten Low Whistler gehört bisher. Das war also reine irische Musik. Shanes Gesang und große Teile des Bandsounds erinnerte an die großen modernen keltischen Bands wie Beoga, Gráda oder Solas. Französisch war vor allem der Wechselgesang, der mich vor allem an Tri Yann erinnerte, also an bretonische Musik. Desweiteren ist besonders zu erwähnen, dass Solon mit seinem Kontrabass einen Rhythmus erzeugte, der mich sehr an skandinavischen Folk erinnerte und last not least unterstützten auch Jeremiah mit seinem Sopransaxophon diese skandinavische und zugleich eine jazzige Stimmung. Außerdem gab er ein Lied im Obertongesang zum Besten.Nur nach Cajun klang einfach nichts, kein Akkordeon, kein Two Step, und Manager Petr Pandula versicherte mir im Nachhinein, der diesbezügliche Ankündigungstext sei nicht auf seinem Mist gewachsen. Nun, dann waren das wohl die Leute vom Bonner Somer-Team. Egal, mein Fazit diese kurzen Rezi: Die vielen vielen nicht anwesenden Bonner Folkies haben echt was verpasst!

The MCDates:
http://themcdades.com/

Magnetic Music:
www.magnetic-music.com/

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(geschrieben am 26.9.2008; rundgeschickt am 26.9.2008)
V.3.) Hier gehörten eigentlich noch Rezis über die Lokal Heroes und eine Band mit karibischer Musik im Parkrestaurant Rheinauen und über Babylon Circus auf dem Bonner Marktplatz hin, aber das habe ich nicht geschafft. Sorry!

Vielleicht ganz kurz dazu: Die Lokal Heroes waren klasse wie immer, hatten auch ein paar neue Stücke dabei und schon von ihnen bekannte Stücke teilweise neu arrangiert. Sie schaffenden Spagat zwischen ihrer alten Dubliners-Pogues-Spielweise und ihrer neuen, vom Baltikum, Jazz und Funk beeinflussten ganz gut. Auch im Parkrestaurant Rheinau hörte ich eine Band mit karibischer Musik, auf deren Namen ich gerade nicht komme. Sie war nicht schlecht ,aber vielleicht etwas lahm. Aber schöne Bläsereinsätze mit Trompeten und Saxophonen waren dabei. Babylon Circus was super! Ska, Reggae, Funk, Balkanbrass, Zigeunermusik, Klezmer aus Frankreich. Laut, kräftig, fröhlich, ausgelassen, extrem energetisch!

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V.4.) Konzertrezension: Broom Bezzums und Megson am 25.9.2008 beim Folk im Feuerschlösschen im Weinhaus Steinbach in Bad Honnef

Kontrastreicher English Folk

Donnerstagstermine sind für den Folk im Feuerschlösschen etwas ungünstig, da das Feuerschlösschen wegen der neuen Inanspruchnahme durch das Siebengebirgsgymnasium ihm dann nicht zur Verfügung steht und die Konzerte, egal wie ausverkauft sie sind, im Weinhaus Steinbach (nicht Steinhaus Weinbach, wie ich aus Versehen immer wieder sage) stattfinden müssen. Für die etwas über 20 Zuhörer dieses Abends war der Saal dort viel zu groß. Aber so saßen wir gut und geräumig, was ja auch was für sich hat, und zudem auf bequemen Stühlen. Und wer wollte, konnte sich was zu essen bestellen.

Für diesen Abend waren zwei englische Duos angekündigt: Broom Bezzums und Megson.

Broom Bezzum machte den Anfang. Andrew Cadie aus Nordostengland, aber wohnhaft in der Pfalz und Mark Bloomer aus dem Black Country in Mittelengland, aber wohnhaft in Idar-Oberstein, sind zwei junge Männer, deren einer trotzdem schon drei Kinder hat, denen er auch das eine oder andere Stück gewidmet hat. Beide sangen, Andrew spielte zudem Fiddle, Gitarre und Northumbrian Smallpipes, Mark Gitarre und Manoline. Ich bin zugegebenermaßen nicht so gut im Verstehen von gesungenem Englisch, zumal wenn es im Dialekt gesungen ist, aber die Ansagen waren auf Deutsch. Einige der Lieder handelten vom Bergbau, auch wenn Mark sagte, sein Vater habe ihm verboten, über diese harte Arbeit zu singen, von der er ja nichts verstehe. Andere waren zum Beispiel Rebelsongs und Liebeslieder. Die harten Stimmen der beiden transportierten und betonten gerade die Lieder mit aufrufendem oder anklagendem Inhalt sehr gut. Aber auch die Instrumentals waren mitreißend: Tanztunes wie Reels waren dabei, die etwas schottisch klangen, aber nicht ganz. Die Spielweise erinnerte mich an die nordenglische Band Tarras. Ein auf den Pipes gespieltes Stück hätte auch aus Deutschland oder Dänemark stammen können, war aber, wie Andrew mir später sagte, typisch northumbrisch. Die Northumbrian Smallpipes klingen übrigens sehr fein und eher leiser. Vor allem den Bordun hört man kaum oder nur, wenn der Chanter schweigt. Broom Bezzms heißt übrigens „Ginsterbesen“, und so hieß auch das Lied, dass sie als Zugabe sangen: „Kauft Ginsterbesen, kauft sie, wenn sie neu sind, so weiche Besen findet ihr sonst nirgends.“ (überssetzt von mir).

Nach Pause und obligatorischer Verlosung (ich gewann eine Blowzabella-CD) betrat das Ehepaar Stu Hanna und Debbie Palmer die kleine Bühne. Sie waren auch aus Nordostengland und haben keinen Wohnsitz in Deutschland. Stu sang und spielte Gitarre und Oktavmandola, Debbi sang auch und spielte zwischendurch mal Tin Whistle. Super klang das Zusammenspiel von Männer- und Frauenstimme, auch wenn die von Stu nicht sonderlich teif war. Das erste Lied sag er, und sie sang dabei nur hin und wieder ein Wort mit, welches dann besonders punktuell hervorgehoben wurde. Wenn sie alleine sang, klang es etwas braver, aber auch sehr feminin schön. Auch Stus Mandolaspiel begeisterte mich: Mal kräftig, gerade zu perkussiv, dann wieder zart, filigran. Unter den Liedern war eines namens „Candyman“, welches mir von der oben genannten Band Tarras bekannt war, nur dass Megson es rein a capella sangen. Später sprach ich beide Duos auf Tarras an, und bekam zur Antwort, dass Tarras und sie hier sei eben diese typische nordenglische Spielweise praktizierten, die nicht südenglisch und nicht schottisch sei, aber von beidem beeinflusst.

Es war somit ein gelungened Konzert, und wirklich schade, dass der Saal so leer war. Noch ein Wort zur Gastronomie. Sie haben Königsbacher Pils aus Koblenz im Ausschank, ein Bier, dem ich in meiner mittelrheinischen Heimat kaum entkommen konnte und das ich ob seiner Bitterkeit nie mochte. Nur die Gläaser fand ich schon immer sehr schön. Aber sie haben das Rezept geändert, verwenden nun einen anderen Hopfen. Bitter ist es immer noch, aber sehr schön aromatisch ist es geworden. Ich kann es empfehlen. Dann bestellte ich einen Wein, einen trockenen Grauburgunder, der im Abgang ein Aroma hatte, das mich an eine alte, süße Apfelsorte erinnerte. Sehr lecker! Leider, wie ich erst beim Bezahlen erfuhr, ist er nicht hier aus Rhöndort oder so, sondern aus Baden. Und die 4,60 € für die 0,2 l ist selbst für Bonner Verhältnisse recht teuer, auch wenn das Glas biszum Rand gefüllt war.

Broom Bezzums:
http://www.broombezzums.de/

Megson:
http://www.megsonmusic.co.uk/

FiF:
http://www.folkimfeuerschlösschen.de.vu/

Weinhaus Steinbach:
http://www.weinhaus-steinbach.de/

MAS

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(geschrieben am 6./7.10.2008)
V.5.) Konzertrezension: Pure Irish Drops – 20-jähriges Jubiläum – am 4.10.2008 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel

(Noch nicht im folkigen Rundbrief rundgeschickt, aber ins Netz gestellt unter:
http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=863)



20 Jahre lädt Florian Fürst nun schon je drei Musiker und/oder Musikerinnen aus Irland zu einer Tournee durch Deutschland ein, ein Konzept, dass aus der Begegnung mit Micho Russel entstand, jenem berühmtesten Bauern Irlands, der den nachböllschen Irlandbegeisterten aus deutschen Landen wie eine Ikone echter irischer Volksmusik vorkam. Florian entdeckte, dass es noch weit mehr Musiker(innen) jenseits der großen Bands zu entdecken gab, die von sich aus großenteils nicht auf die Idee gekommen wären, ihre Musik einem deutschen Publikum in Deutschland zu Gehör bringen zu wollen. Und seine Entdeckungen nahmen und nehmen auch in absehbarer Zeit kein Ende, denn die irische Volksmusik ist erstens voller alter Meister und zweitens zugleich voller junger Burschen und Mädels, die auch schon längst ihre Meisterschaft unter Beweis gestellt haben.

In diesem 20. Jahr besteht das irische Triumvirat aus Cormac Connan, Benny McCarthy und Sean Ryan, und somit aus zwei Vertretern der jungen Generation und einem, der auch das Folk Revival in den 1970ern schon mitgemacht hat. In genannter Reihenfolge spielte jeder zuerst ein paar Soli, bevor sie dann gemeinsam als Trio musizierten. Cormac Connan holte einen mit dem quäkend-melancholischen Klang seiner Uilleann Pipes sofort in die irische Stimmung hinein. Eine Air, eine langsame Liedmelodie, dann schnelle Jigs und Reels. Er was 2005 schon mal mit der PID-Tour unterwegs gewesen, zusammen mit seiner Mutter und seinem Cousin. Benny McCarthy folgte mit seinem diatonischen Akkordeon. Er begann mit Polkas, seinen Lieblingstunes, mit denen er auch schon auf der 2006er Tour das Publikum begeistert hat. Sean Ryan schließlich wirkte mir seinen langen grauen Haaren wie frisch aus dem Folk Revival importiert und trug an Instrumenten nicht viel Gewicht mit sich herum, sondern nur eine Sammlung von Whistles. Es waren keine Tin, sondern Plastic Whistles von der Firma Susato. Diese klangen aber etwas rauchiger als gewohnt, was Sean auch anschließend als seinen persönlichen Geschmack beschrieb. Und er hatte eine einzigartige Spielweise, in der er zugleich die Rolls und Verzierungen mit den Fingern und Stakati mit der Zunge vollführte. Echt klasse!

Mir ging es so, dass ich den Soli noch lieber zuhörte als dem gemeinsamen Spiel danach, was vor allem daran lag, dass sie mehr oder weniger unisono spielten ohne komplexere Arrangements mit zweiten Stimmen und dergleichen. Die gab es zwar schon, wurden aber sehr sparsam eingesetzt. So hoben sich die Klänge der Pipes und des Akkordeons nicht so sehr voneinander ab, nur die Whistles waren beim Überblasen deutlich davon zu unterscheiden. Benny erzählte eine Geschichte, in der er erklärte, in Dublin sei ihm ins Auto eingebrochen worden und er habe dann statt der einen, zwei Akkordeons auf dessen Rückbank vorgefunden. Dieses zweite hatte er auch dabei, ein Melodeon, welches größer und schwerfälliger als das andere wirkte und etwas voller klang. Und Sean überraschte damit, dass er auch singen konnte: „The Humours of Whiskey“. Seans Englisch war für mich indes nicht leicht zu verstehen, weder wenn er sprach, noch wenn er sang. Aber es muss ein lustiges Lied gewesen sein, denn es lachten einige im Publikum. Er erzählte auch was von einem Polizeiseargant in Chicago, der Uilleann Pipes spielte und Reeds herstellte und immer irische Musiker inhaftierte, um ihnen ihre Tunes zu entlocken. Das verstand ich schon und überhaupt ist es eine besondere Eigenart der Pure Irish Drops – Konzerte, dass man den Musikern so nahe ist und in der Pause oder nach dem Konzert mit ihnen reden kann, was besonders einige der anwesenden Bonner Musiker weidlich ausnutzen. Unter ihnen war auch Sabrina Palm, die für den Folker! 06.08 einen Ortstermin-Artikel über dieses Konzert schreiben wird. Ich bin gespannt darauf!


Pure Irish Drops:
http://www.ffmusik.de/PIDinfo2007.htm
(Ja, der Link stimmt, trotz der 2007.)
Brotfabrik:
http://www.brotfabrik-bonn.de/

Frühere PID-Rezis von mir :
Pure Irish Drops am 8.10.2004 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2004/10/konzertrezension-pure-irish-drops-am.html bzw. http://tinyurl.com/acx5c
Pure Irish Drops am 8.10.2005 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel (mit Cormac Connan)
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/10/konzertrezension-pure-irish-drops-in.html bzw. http://tinyurl.com/csqne
Pure Irish Drops - Music from the Déise am 8.10.2006 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel (mit Benny McCarthy)
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/10/konzertrezension-pure-irish-drops.html
Pure Irish Drops am 9.10.2007 in der Brotfabrik in Bonn-Beuel
online: http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2007/10/konzertrezension-pure-irish-drops-am.html

MAS

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V.6.) Konzertrezension: 3. Folknacht in der KÜZ mit Foggy Stew und The Aberlour’s in Troisdorf-Sieglar am 17.10.2008

(noch nicht im folkigen Rundbrief rundgeschickt aber in Netz gestellt unter
http://www.migrapolis-deutschland.de/index.php?id=893 mit Fotos!)

Feine und deftige irische Musik aus Bonn und Halle

von Michael A. Schmiedel

Troisdorf-Sieglar liegt nicht gerade im Zentrum, weder von Troisdorf, noch von Bonn, aber es gibt eine Busanbindung von Bonn und von Troisdorf und Siegburg her. Der große Saal mit dem hübschen Dachgebälk war durch einen Vorhang in zwei Hälften geteilt, und die vordere Hälfte vor der Bühne war gut gefüllt, als für die 3. Folknacht die beiden Irish Folk Bands Foggy Stew aus dem nahen Bonn und The Aberlour’s aus dem nicht ganz so nahen Halle aufspielten.

Foggy Stew sind in der Region ja nicht gerade unbekannt, aber ich denke, dem Publikum aus Troisdorf oder Sieglar zumindest teilweise doch ein neues Erlebnis. Margret Hüffer (Gesang, Gitarre, Tin Whistle, Concertina), Nicole Maldonado (Gesang, Fiddle) und Michael Heuser (Gitarre, Mandolinen, Banjos, Gesang) und neu im Bund Werner Nitzsche, (Ex-Ben Bulben; Gitarre) werden aber auch bei den sie noch nicht kennenden Musikfreunden einen guten Eindruck hinterlassen haben. Nicole und Margret ergänzten sich als Sängerinnen aufs Vortrefflichste, so unterschiedlich ihre Stimme klangen, ohne dass man sagen kann, wer denn schöner sang. Whistle oder Concertina und Fiddle mit mal dieser, mal jener Zupfbegleitung heizten auch den Reel-, Jig-, Hornpipe-, Slip- und Polkafreunden gut ein, und das in einer Feinheit der Spielweisen, die auch Nichttänzer verzückt auf ihren Stühlen zuhören und genießen ließ. Der Ton war übrigens um einiges besser als in der letzten Folknacht, so dass auch von daher die Musik wunderbar rüber kam.

The Aberlour’s boten ein deftiges Kontrastprogramm. Klaus Adolphi (Ex-Horch; Gesang, Cister, Manoloncello, Bouzouki, Laute, Gitarren, Thunderbodhrán, Blockflöte), Steffen Knaul (Fiddle, Gesang), Andreas Fabian (Low Whistle, Querflöte) und Matthias Schimetzk
(Schlagzeug), sowie ein irgendwoher zu hörender Bass gaben der Bezeichnung Folk-Rock alle Ehre. Viele selbstgeschriebene Lieder und zwischendurch auch Speed-Instrumentals groovten und wogen durch den Saal. Vieles erinnerte auch an Deutsch- oder Mittelalter-Rock, das Flötenspiel an Jethro Tull. Das war nun zwar eher Musik der lauten, ja sehr lauten Art, so dass zwischendurch mal ein Pfeifen in meinen Ohren zu hören war, aber es gab auch sehr spannende Arrangements, wie zum Beispiel ein Wechselspiel zwischen Geige und Flöte. Nur Klaus' Bemerkung, zum ersten Mal in der Köln-Bonner Region zu spielen, ließ mich doch an seinem Gedächtnis zweifeln, denn 2005 spielten sie doch auf dem St. Patrick’s Day Celebration Festival in Brühl. Sei es drum, die Sieglarer, Troisdorfer und so weiter werden sie im Gedächtnis behalten, denn man sah ihnen den Spaß an der Musik an. Hoffentlich aber trägt niemand einen Gehörschaden davon!

Somit war diese 3. Folknacht in der KÜZ für die Anwesenden ein abwechslungsreiches Erlebnis, das sehr schön die Spannbreite deutscher Irish Folk Musik zeigte.

Zwei Tipps nur an den Veranstalter: 1. Man möge auch Rotwein anbieten. Wir konnten uns zwar eine Flasche aus dem Keller holen, aber die beglückte gerade mal 3 ½ Kunden und war dann leer. 2. „Guinness“ schreibt man mit zwei „n“. Das hatte ich in der letzten Rezension schon angemerkt.

Foggy Stew:
http://www.foggystew.de/
The Aberlour’s:
http://www.aberlours.de/
Die KÜZ:
http://www.buergerhaeuser-troisdorf.de/bh-sieglar.html

Frühere Rezis von mir…

…zu Foggy Stew:
1. Celtic Attractions Festival
Celtic Attractions – 1. Irish/Scottish Folkfestival im Zirkuszelt am 8.4.2005 in Köln-Weiß
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/04/konzertrezension-celtic-attractions-1.html bzw. http://tinyurl.com/85qdj
6. Bonner Irish Folk Festival am 21.4.2007 in der Harmonie in Bonn-Endenich
online: http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2007/04/konzertrezension-6-bonner-irish-folk.html
CD: Foggy Stew. one more payment and it’s mine
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2006/07/cd-rezension-foggy-stew-traditional.html


…zu The Aberlour’s:
16. St. Patrick’s Day Celebration Festival am 9.3.2005 in Max Ernst Museum in Brühl
http://folktreff-bonn-rhein-sieg-rezensionen.blogspot.com/2005/03/konzertrezension-16-st-patricks-day.html bzw. http://tinyurl.com/bnmzt



MAS


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(geschrieben am 25.9.2008; rundgeschickt am 26.9.2008)
V.7.) CD-Rezension: Nicholas Gunn, Johannes Linstead, David Arkensone, Loren Gold. Live

Geminisun Records 2008. http://www.geminisunrecords.com/
15 Tracks, CD 73:50, DVD 75:37mit engl. Infos, viel CD-Werbung und Fotos

Weltmusik aus USA

Ein Doppelpack aus CD und DVD, die beide das gleiche Konzert beinhalten: Nicholas Gunn (diverse Flöten), Johannes Linstead (Gitarre), David Arkensone (Gitarre), Loren Gold (Klavier), vier Weltmusiker aus den USA spielen zusammen ihre eigenen Stücke, begleitet von acht weiteren Musiker(inne)en. Dabei bedienen sie sich zahlreicher Einflüsse aus europäischen, orientalischen, mediteranen, südamerikanischen, indianischen und ostasiatischen Traditionen, ohne dass auch nur ein Stück ganz eindeutig einer bestimmten Tradition zuzuordnen wäre. Das ist somit das, was ich unter Weltmusik verstehe: Musiker lassen sich von verschiedenen Traditionen inspirieren und gehen mit diesen Einflüssen frei kreativ um. Das klingt dann teilweise ähnlich wie Rüdoger Oppermanns Karawane, teils wie New Age-Musik, teils wie Bar Jazz oder wie andere Jazz-Arten, teils wie Filmmusik aus US-Fernsehserien (z.B. wie die von Charly Brown) es sind schone groovige Partien dabei, aber auch leicht dahin plätschernde.

Die vier Musiker stellen sich auch verbal vor, wobei diese Vorstellungen nicht teil des Live-Konzertes sind, sondern – bei der DVD sieht man das – Einblendungen. Debei erzählen sie auch etwas über ihre Musik, die Instrumente und die sie inspirierenden Einflüsse. Zum Konzert selber gehörend ist die Moderation von Nicholas Gunn, der auch die Plattenfirma vertritt. Und so oft wie er sagt, dass die Musik auch auf dieser oder jeder CD des Labels „available“ ist, kommt mir das ganze Unternehmen ein wenig vor wie eine Werbeveranstaltung für das Label und die ihm verplichteten Musiker. Das stört spätestens beim zweiten Hören doch nicht unerheblich.

Im Fazit ist es eine nette Scheibe bzw. sind es zwei nette Scheiben, aber kein ganz großer Wurf. Life dabei zu sein war aber bestimmt ein sehr schönes Erlebnis. Vielleicht sollte ich mir die eine oder andere CD des Labels kaufen in der Hoffnung, dass dort niemand in die Musik hinein quatscht. ...

Ich würde jetzt gerne die acht anderen Musiker aufzählen, aber die kleinen roten Buchstaben auf orangenem Hintergrund kann ich auch mit Lesebrille kaum entziffern, und meine Leselupe habe ich gerade nicht da.

Aber die Trackliste ist lesbar:
Desert Crossing
Falling
For my Baby
Earth Bones
Elves’ Chasm
Apasionado Uno
Breathe
New Day
Dance in the Desert
Gypsy Camp
Spanish Town
Ambrosia
Street of Old San Juan
Djunga


MAS

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V.8.) CD-Rezension: The Irish Folk Festival. Rainbow Expedition

Magnetic Music 2008, http://www.magnetic-music.com/
16 Tracks, 65:31 mit engl Infos, Fotos und CD-Werbung

Ich sage es mal sofort am Anfang: Ich besitze fast alle erschienenen IFF-CDs von Wundertüte und von Magnetic-Music und liebe sie alle, aber das hier ist die schönste! Umso trauriger für mich, dass ich nicht hin kann zum Konzert in Düsseldorf, weil ich dann gerade beruflich unterwegs bin. Sehr schade!

Vier Acts sind es wieder: Beoga, Líadan, Grioghair und Niamh Ní Charra & Friends und bei jedem Act gibt es Lieder und Instumentals, langsames und schnelles, quirrliges und verträumtes, melnacholisches und fröhliches. Vieles ist sehr traditionell und Jahrhunderte alt und doch modern arrangiert. Anderes ist neuer, fällt aber nicht aus dem Rahmen. Das ist Folk wie er sein soll!

Beoga bringen zum Beispiel einen Slip Jig-Jig-Set der so wunderbar ist, dass ich gar nicht genug davon kriege. Der Slip Jig ist recht melancholisch gefasst, aber bei dem folgenden Jig schwingt es um in einen entspannt-fröhlichen Swing. Gefolgt wird der Set dann von dem immer wieder ergreifenden Lied „Both sides of the Tweed“, hier besonders schön mit dem Zusammenspiel von Stimme, Concertina und Gitarre. Das geht tief rein!!!

Die sechs Frauen von Líadan Elaine Cormican, Deidre Chawke, Claire Dolan, Sile Denvir, Valerie Casey und Catherine Clohessy können auch beides: singen und spielen, und dabei ist ein Jig, der an „Der letzte Mohikaner“ erinnert, und dann wieder engelsgleicher mehrstimmiger Gesang, wiederum gefolgt von freurigen Polkas und Reels.

Griogair Labhruidh ist schottisch-gälischer Singer/Songwriter. Ich bin mir da nicht sicher, ob er von anderen Musikern begleitet wird oder ob es Overdub ist. Jedenfalls spielt er auch Gitarre, Whistles und Pipes, und wer auch immer die Maultrommel spielt, das hört sich erstklassig an!

Zuletzt Niamh Ní Charra & Mike Galvin & Robbie Harris geben mit Concertina, Fiddle, Gitarre, Piano, Bodhrán, Bass und Gesang der CD einen würdigen Abgang. da groovt und swingt es noch mal kräftig und klingt verträumt und am Ende drücke ich am liebsten auf Repeat.

Fazit: Irlande: 12 Points!


Trackliste :
Beoga: Awake awake (song)
Beoga: The Gooseberry bush & The flying golf club (reels)
Beoga: Pick teh lock & Tmister Mollys (slip jig & jig)
Beoga: Both siodes of the Tweed (song)
Líadan: Gile Mear (song)
Líadan:The hawthorn hedge & Rolling Wave (jigs)
Líadan:Hannah loving Hannah (song)
Líadan:The Ballinafad set (polka & reels)
Grioghair: Mac Donald in Glasgow (song)
Grioghair: Ardrishaig set (march & reels)
Grioghair:Seinn an dunn (song)
Grioghair:Ard-Litreach set (jigs)
Niamh Ní Charra & Friends: The trush’s best set (reels)
Niamh Ní Charra & Friends:An páistín fionn (song)
Niamh Ní Charra & Friends: Knocknaboul set (polkas)
Niamh Ní Charra & Friends: Ashokan farewell (waltz)

MAS

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(geschrieben am 25./26.9.2008; rundgeschickt am 26.9.2008)
V.9.) CD-Rezension: Karan Casey. ships in the forest

Karen Casey (Erscheinungsjahr überklebt), http://www.karancasey.com/
Magnetic Music, http://www.magnetic-music.com/
10 Tracks, 45:59 mit engl. u. gäl. Texten, engl. Infos und Fotos

Zauberhafte irische Frauenstimme zwischen Sean Nos und Jazzgesang

Die Musik von Karan Casey ist was für Freunde getragener irischer Lieder, gesungen mit zarter weiblicher Stimme. Gute Sängerinnen hat Irland nicht gerade wenige hervorgebracht, und Karan Casey ist auch eine würdige Vertreterin ihres Landes. Zumeist mit Klavierbegleitung singt sie Liebesleider, Balladen, Lamentatons oft angehaucht, mit den typisch irischen Verzierungen. Außer dem Klavier unterstreichen, betonen, pointieren auch Cello, Gitarre, Concertina und andere Instrumente die Lieder sehr gekonnt. Dabei bleibt Karan nicht immer den traditionelen Melodien treu, sondern zum Beispiel „Black is the Colour“ singt sie ganz anders, als man es kennt. Der Text bleibt, aber die Melodie ist eher die eines Jazzsongs und könnte zum Beispiel von Gershvin sein. Aber es passt! Dann aber gibt es wieder uralte Melodien, die sie ohne Begleitung mit gälischem Text vorträgt. Und zwischendurch gibt es eine druckvolle Version einer Mischung von Rebelsong und Lamentation. Alles in allem ist es eine überaus spannende Scheibe die die irische Musik zwischen Tradition, Revival und Moderne repräsentiert und jenseits dieser Schubladen einfach gefühlsmäßig tief rein geht.


Liste der Mitmusiker(innen):
Caoimhín Valley: Piano
Donald Shaw: Akkordeon, Wurlitzer, Harmonium
Robbiee Overson: Gitarre
Kris Drewer: Gitarre
Niall Valley: Concertina
Cillian Vallely: Pipes
Martin O’Neill: Bodhrán


Trackliste:
Love is Pleasing
Dunlavin Green
Johnny I Hardly Knew Ye
Black is the Colour
Town of Athlone
Maidin Luan Chincíse
The Fiddle and the Drum
Erin’s Lovely Home
Ae Find Kiss
I Once Loved a Lass


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VI.) Und noch’n Gedicht

Abendruf


„Das eine möchte ich euch allen an Herz legen:
Leben und Tod sind eine ernste Sache.
Die Dinge vergehen so schnell.
Seid stets wach,
niemals achtlos,
niemals nachlässig!“

aus dem Zen-Buddhismus

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In diesem Sinne verbleibt mit herzlichen Grüßen,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel