Sonntag, Februar 12, 2023

Interreligiöser Rundbrief ... Nr. 2023-1 - Teil 2

 

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2023-1 – Teil 2

(12.02.2023)

„Das Wichtigste ist, dass ich aufhöre. Da s ist eines meiner Lieblingswörter – aufhören. Und das hörende Herz passt da gut dazu. Einerseits meint dieses großartige Wort >aufhören< anhalten, stoppen. Andererseits heißt das Wort auf-hören, dass ich, während ich am Abarbeiten der To-do-Liste bin, mich im Hamsterrad, im rasenden Stillstand verausgabe, aufwärts höre, nach außen lausche, mich anrufen und erreichen lasse von etwas anderem, von einer anderen Stimme, die etwas anderes sagt als das, was auf meiner To-do-Liste steht und was sowieso erwartbar ist und sozusagen im funktionalen Austausch besteht.“[1]



Liebe Leser*innen des interreligiösen Rundbriefes,

hier folgt nun der zweite Teil des IR Nr. 2023-1. Das ist für mich nicht so einfach, ihn zu gestalten, da es noch sehr viel Konversation zwischen Corinna Mühlstedt, Robin Pope und mir gab, sowohl bi-, als auch trilateral, die auch mit Corinna Mühlstedt in eine Diskussion über ging. Das war allerdings nicht alles zur Veröffentlichung gedacht. Robin Pope hatte den bilateralen Austausch zwischen ihr und mir und den trilateralen auf schöne Weise zusammengestellt, hatte den bilateralen zwischen Corina Mühlstedt und mir aber nicht vorliegen. Aber auch ohne diesen wäre es zu lang, selbst für interessierte Leser*innen geworden.

Deshalb verfahre ich jetzt so: Ich hatte selbst ein Schlusswort geschrieben und die beiden auch um je eines gebeten. Diese drei Schlussworte gebe ich nun zuerst wieder, nicht aber alles, was davor und danach noch hin und her geschrieben wurde.

Danach gebe ich noch zwei Beiträge des bilateralen Austauschs zwischen Corinna Mühlstedt und mir wieder, welcher zeigt, wie sehr die jeweilige Biographie die Einstellung eines Menschen beeinflusst. Darauf kamen wir, als wir uns in der Diskussion festgefahren hatten. Mich interessiert an diesem Austausch zu zweit und zu dritt nämlich nicht nur das Krieg- und Friedenthema, sondern auch die Metaebene des Nachdenkens über Kommunikation. Im interreligiösen Dialog geht es ja eben darum, miteinander zu kommunizieren und voneinander zu lernen. Dazu muss man auch schauen, wie man das Gespräch am Laufen hält oder eben auch wieder in Gang bringt. Vordergründig mag dieser E-Mail-Wechsel zwischen drei christlich sozialisierten Menschen nicht interreligiös sein, aber wenn man genau hinschaut, ist es das doch, nämlich zwischen unterschiedlichen Weisen der Religiosität oder Spiritualität, selbst wenn wir uns sehr ähnlich und grundsätzlich alle drei mystisch und pazifistisch eingestellt sind. Aber wir wissen ja inzwischen, dass die Verwerfungslinien im interreligiösen Dialog nicht so sehr zwischen den Religionen verlaufen, als zwischen den Weisen, die vermeintlich selbe Religion zu interpretieren und zu praktizieren. Und durch eine so wichtige Frage, wie man mit Krieg umgeht, können selbst innerhalb einer interreligiösen Friedensorganisation wie Religions for Peace solche Verwerfungen entstehen. Corinna Mühlstedt ist nämlich Vorstandsmitglied von Religions for Peace Italien, so wie ich von RfP Deutschland. Robin Pope war des Öfteren Teilnehmerin beim interreligiösen Gesprächskreis von Religions for Peace Bonn/Köln.  Und gerade da heißt es: Im Gespräch bleiben, im gegenseitigen Respekt und im Ringen um eine Wahrheit, mit der beide bzw. alle gut leben können. Ob uns das gelungen ist? Lesen Sie/Lest selbst:

 

*

 

 

Farbunterlegung der Gesprächsteilnehmer*innen

Michael A. Schmiedel (MAS)

Corinna Mühlstedt

(CM)

Robin Pope

(RP)

 

MAS

Mittwoch , 17. Januar 2023

Nun noch ein paar Worte von mir:

Es mag verständlich sein, dass mit der E-Mail-Wechsel mit Corinna Mühlstedt angenehmer war, denn er war konfliktfrei. Wir waren schnell auf einer gemeinsamen mystischen Wellenlänge.

Der E-Mail-Wechsel mit Robin Pope war dagegen durch einen Konflikt geprägt. Es ging um Religion und Politik gleichermaßen und um unterschiedliche Zugänge zu beidem. Ich fühlte mich durch das Wort „unqualifiziert“ angegriffen, und man merkt sicher im weiteren Verlauf, dass Robin Popes und mein Zugang zum Ukraine-Thema sehr verschieden war. Ich kenne Robin nun aber auch persönlich und schätze sie sehr, so dass ich mich entschloss, nicht die beleidigte Leberwurst zu spielen, sondern einerseits offen zu argumentieren und anderseits zu versuchen, ihren Zugang zu verstehen.

Die von ihr angeführte Bibelstelle bei Matthäus 7,5 lautet übrigens: „Du Heuchler, zieh am ersten den Balken aus deinem Auge; darnach siehe zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!“[2]

Ich argumentierte indes weniger mit der Bibel als mit deutscher Geschichte und verglich diesen Angriff Russlands auf die Ukraine mit dem Angriff Deutschlands auf die Tschechoslowakei und Polen.

Es ging mir nur um diesen konkreten Krieg und die Frage, wer ihn beenden kann. Und das ist nach meinen Kenntnissen Putin. Er hat die Macht, das zu tun. Tut er es, opfert er russische Expansionsinteressen, aber nicht die Integrität seines Landes. Beendet dagegen die ukrainische Regierung diesen Krieg durch Kapitulation oder Waffenstillstand mit Gebietszugeständnissen an Russland, opfert sie ihr Land und die Freiheit seiner Bevölkerung. Wer würde also mehr verlieren, wenn er jetzt einfach aufhören würde, zu kämpfen?

Robin Pope ging es auch um die Schuld der USA oder des Kapitalismus. Vor allem letzteren kritisiere ich auch immer wieder. Und auch erstere hin und wieder. Aber so weit wollte ich gar nicht ausholen. Darüber können wir uns aber gerne weiter austauschen und ich meine, wir kommen schnell zu gemeinsamen Ansichten.

Ich bitte jetzt Corinna Mühlstedt und Robin Pope noch um je ein paar Worte und schließe den Rundbrief mit noch einem Zitat auf dem Interview im Philosophie Magazin, diesmal aber von dem anderen Interviewpartner.

Michael A. Schmiedel

PS: Das Zitat aus dem Philosophie Magazin war schon in Teil 1.

 

Donnerstag , 18. Januar 2023

CM:

Liebe Hossein Pur-Khassalian, Michael, Robin und Alle

Zu den Einzelheiten der Diskussion zwischen Dir, Michael, und Robin möchte ich mich nicht äußern, das würde zu lang werden. Aber zur praktischen Seite des Friedens in der Ukraine lass mich aus römischer Sicht - ich bin derzeit in Rom - sagen: Das Ganze ist komplizierter als in Deutschland viele meinen:

Papst Franziskus warnt seit Jahren vor dem dritten Weltkrieg (in Stücken). Und hier in Italien sehen die meisten den Ukraine-Krieg als Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA, bei dem vor allem einer verdient: die Rüstungsindustrie. (Wie bei den Kriegen in Syrien, Jemen, Myanmar und anderenorts auch.)

Die Ukraine ist in jedem Fall ein Opfer. Nur wenn die Megastaaten sich friedlich einigen, hat sie eine Zukunft. Macron war nicht umsonst im Oktober hier in Rom und hat den Papst gebeten, zwischen Putin und Biden zu vermitteln....

Bleibt die Frage, ob die Religionsgemeinschaften derzeit etwas tun können? Mir scheint nur auf dem Weg, den Jesus gewiesen hat: Es wollte die Herzen der Menschen verändern, durch Dialog, Gebet und Liebe... Er wusste, dass die Politik nie das letzte Wort haben wird, sondern Gott.

Corinna Mühlstedt

Samstagtag , 18&30. Januar 2023

 

Liebe Hossein Pur-Khassalian, Michael, Corinna und Alle

Danke Corinna, dass du uns aufforderst, Mystiker zu werden und uns an Jesus von Nazareths "Steck dein Schwert in die Scheide" zu erinnern.  

Danke, Michael.  Eine der vielen Früchte deines Netzwerks "Religionen für den Frieden" war meine Teilnahme am Bonner Vortrag über die holländisch-jüdische Mystikerin Etty Hillesum aus der Hitlerzeit.

Dr. Hossein Pur Khassalian begann unseren E-Mail-Austausch mit:

‚Heute frage ich mich, ob die Menschen, die Krieg führen, Waffen herstellen und Waffen verkaufen, Waffen spenden und Waffen einsetzen auch „Christen“ sind.‘

Die schreckliche „ja“ Antwort lautete 1995: Der Stadthistoriker Martin Stankowski und der Kabarettist Rainer Paus erinnern in "Tod im Rheinland" daran, dass die ersten Christen pazifistisch waren, nicht mehr.  1992 bestätigte das deutsche Bundesverfassungsgericht das Urteil, dass der pazifistische Nobelpreisträger Carl von Ossietzky Hochverrat begangen hat.  Eine anhaltende paramilitärische Kultur hilft einer Perversion - der Umdeutung der Definition von Frieden als gewaltsam errungener Sieg. 

Als der russisch-ukrainische Krieg 2022 ausbrach, war diese Perversion dessen, was "Frieden" bedeutet, bei vielen Christen schockierend offensichtlich, wie Dr. Hossein Pur Khassalians "Verwunderung" zeigt. 

"Steck dein Schwert in die Scheide" Stimmen.  Der römisch-katholische Franziskus I. und der Anglikaner Welby bitten um Vermittlung zur Beendigung des Russland-Ukraine-Krieges.  Als Jude, der seinen moralischen Kompass von Jesus von Nazareth hat, lieferte Sachs, Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network, einer führenden Finanzzeitschrift der Welt die Umrisse einer Mediation, deren Vereinbarungen durchsetzbar sind: https://www.economist.com/by-invitation/2023/01/18/jeffrey-sachs-on-why-neutral-countries-should-mediate-between-russia-and-ukraine

 

Neu denken

Seien Sie kein Narr: Berechne, wann du deine Entscheidung rückgängig machen solltest, riet Jesus

Wenn Sie den Krieg mit Waffen, die der Ukraine gespendet wurden, als den Weg von Jesus von Nazareth betrachten, sollten Sie sich an seine Aufforderung halten, dass seine Anhänger weise Entscheidungen treffen:

Seid also klug wie die Schlangen
und
harmlos wie die Tauben, Matthäus 10: 16.

Zu der Frage, was klug bedeutet, gibt Jesus ein Beispiel dafür, wie man die Logik auf die Beweise anwendet, um abzuschätzen, ob das, was man vorhat, plausibel zum Ziel führt, und wenn nicht, das, was man in Gang gesetzt hat, wieder rückgängig zu machen.  In Lukas 14, 31-32 beschreibt Jesus weise Könige.  Er fragt, welcher König ein solcher Idiot wäre, wenn er, nachdem er die hohen Kosten und Risiken eines ausbleibenden Sieges kalkuliert hat, seinen Drang, Krieg zu führen, nicht zurücknimmt, seinen Fehler eingesteht und den Weg der Vermittlung einschlägt. 

Angenommen, ein König will gegen einen anderen König in den Krieg ziehen. Wird er sich nicht zuerst hinsetzen und ausrechnen, ob er gewinnen kann? 

Wenn nicht, schickt er eine Delegation, während der andere noch weit weg ist, um Frieden zu schließen

[er wählt den Weg der Mediation].

Lukas14: 31-32

Warum haben die Christen, die Deutschland dazu drängen, Waffen an die Ukraine zu liefern, keine klugen Berechnungen angestellt, bevor sie sich in den Krieg stürzen, wie Jesus es von seinen Nachfolgern verlangt?  Wo sind ihre Prognosen des Siegesdatums und vor dem Sieg der täglichen menschlichen Todesfälle, der zerstörten Infrastruktur, der unwiderruflichen Erwärmung des Planeten, der Risiken eines 3. Weltkriegs oder eines nuklearen Holocausts - alle veröffentlicht und dann demütig von Tag zu Tag überprüft, ob ihre Prognosen verifiziert sind oder Fantasie? 

Warum rechnen sie nicht, wie es die Klugheit und Jesus verlangen?  Berechnen und Voraussagen erfordern Gelassenheit.  Die Christen, die zu den Waffenspenden eilen, sind nicht ruhig genug, um dies zu tun: Sie wurden von den Massenmedien in den Wahnsinn getrieben, die sie wegen Putins Bosheit in einen Schlaganfall versetzten

 

Selbstkritik, um ruhig genug zu sein, um weise zu sein

Jesus von Nazareth verstand sehr gut, wie wir Menschen wahnsinnig werden, in einem Anfall von Apoplexie über die Verbrechen des anderen.  Er spricht dies in Matthäus 7,3-5 an. Um weise zu sein und dem wissenschaftlichen Ideal der Anwendung von Logik auf Beweise zu folgen, bedarf es der Demut, einen Schritt zurückzutreten und durch Selbstkritik objektiv zu sein - den Balken in unserem eigenen Auge zu sehen und ihn zuerst herauszuziehen. 

Wissen ist notwendig für die Selbstkritik unseres Westens 

 

Wilhelm Maucher Alfters Friedensweg als Ausdruck für Frieden und gegen Gewalt und Unrecht: Gebots Stein 6

 

Ergänzen Sie die massenmediale Diät des Sieges des Westens mit Wappen und des Geschreis über das böse Russland/Putin mit Informationen über:

§  Bösen Dinge, die Deutschland oder andere westliche Länder im Westen an Russland begangen haben, die Planken in unserem westlichen Auge,

§  Weise Wege, um die Balken aus unseren Augen zu entfernen, die uns davon abhalten, wieder straffällig zu werden, und die uns befähigen, unsere Sünden vor Russland zu entschuldigen

§  Errungenschaften derjenigen, die gewaltfreie Techniken anwenden, und über die vielen pazifistischen Helden Deutschlands wie auch über die pazifistischen Helden und Heldinnen in anderen Ländern.  

§  Wege, um den Splitter aus dem Auge von Bruder Russland zu ziehen - Vermittlung, gewaltloser Widerstand, Pazifismus.  Bei diesen Methoden wird niemand getötet, keine Infrastrukturen und Welterbestätten werden zerstört, und sie können schnell, effizient und billig sein.  Sie stehen im Gegensatz zu der gewaltsamen Methode, die der Westen zwei Jahrzehnte lang gegen Afghanistan angewandt hat und dann besiegt zurückgezogen hat.

Ressourcen für Wissen, also weise Entscheidungen

In unserer eigenen Großregion Bonn können wir:

§  die Argumente von Karl Barth, der 1934 seines Lehrstuhls für evangelische Theologie an der Universität Bonn enthoben wurde, gegen die Wiederaufnahme des Militärs in Deutschland Mitte der 1950er Jahre lesen. 

§  sich von Wilhelm Maucher inspirieren lassen, dem kühnen römisch-katholischen Pazifisten der Hitler-Ära in Alfter, der sich wie Barth Mitte der 1950er Jahre gegen die deutsche Wiederbewaffnung aussprach. 

 

Eine Frucht von Michaels Religionen für den Frieden Netzwerk ist, dass ich Maucher entdeckte, als ich an der Wanderung von Ven B Samiddhi vom Samadhi Buddhistisches Meditationszentrum zwischen den fesselnden Befehlstafeln auf dem exquisiten Alfterer Friedensweg teilnahm, die Maucher 1978 errichtet hatte. 

Günter Benz ist es zu verdanken, dass der Friedens-Motorrad-Club "Kuhle Wampe" die Zerstörung des Friedensweges 2009-2012 verhindern konnte, um ihn dann für uns heute zu erhalten, damit wir ihn gehen können, http://www.heimatfreunde-roisdorf.com/landschaft/der-friedensweg-des-rebellen-vom-vorgebirge/index.html.  Es ist Günter Benz, der mir beides geschenkt hat.

 



Maucher’s inspiring pithy booklet 1978  + 1983 postlude

The Alfter Historical Society’s 2011 book

Jede Kirchengemeinde und jede Schule in unserem Bonner Großraum möge sich ein Exemplar von beidem beim Alfterer Geschichtsverein kaufen und auf dem Alfterer Friedensweg pilgern, um Wissen zu erwerben und dabei einen Mini-Berg zu besteigen und sich an der Natur zu erfreuen.


 


Anfang des Friedensweges Friedensweg am 22.05.2016. Foto: Günter Benz

 

Kirchenführer können Experten beauftragen, ihre Schäfchen mit der reichhaltigen Literatur vertraut zu machen über

§  Selbstkritik - Analysen von Ökonomen, Politikwissenschaftlern, Soziologen, Psychologen und Theologen über das Unrecht, das Deutschland und der Westen an Russland begangen haben, und wie man es wiedergutmachen kann

§  Gewaltfreie Wege zur Suche nach Reformen im In- und Ausland nach dem Vorbild von Jesus von Nazareth, Mahatma Gandhi und vielen anderen

Aktivitäten wie Friedenswanderungen, die Lektüre von Heldenbiographien mutiger Friedensaktivisten, das Lernen über unsere Verbrechen gegen Russland und gewaltfreie Wege zur Beendigung von Kriegen und zur Reform der Nationen sind ein Gegengewicht zu den Massenmedien.  Dadurch können diejenigen Christen, die derzeit Waffen für die Ukraine spenden wollen, umkehren und sich um Vermittlung bemühen, statt Krieg zu führen.  Es kann eine neue Antwort auf die Frage von Dr. Hossein Pur Khassalian geben, dass er vielen weiteren Christen geholfen hat, Licht und Salz für die Welt zu sein - für eine Vermittlung zur Beendigung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland.

Ich habe als Christ über die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine gesprochen, denn es waren Christen, die Dr. Hossein Pur Khassalian in seinem Weihnachtsgruß herausforderte.  Einige Nichtchristen sind auch durch die unverdünnte Aufmerksamkeit für die Sünden Russlands/Putins in den Wahnsinn getrieben worden.  Mögen ihre religiösen oder säkularen Führer ihren Wahnsinn in ähnlicher Weise beenden, wie es Matthäus 7:3-5 rät, denn dieser Weg, den Jesus von Nazareth rät, um klug zu sein, findet sich in vielen Religionen und in der Wissenschaft.  In gleicher Weise sollen die Führer ihren Mitgliedern helfen, den Weg der Mediation in all den anderen Kriegen, die auf der Welt toben, einzuschlagen - unsere Welt in Richtung "Steck dein Schwert in die Scheide" zu bewegen.

Robin Pope

 

 

 

Und nun die beiden autobiographischen Beiträge zuerst von mir, dann von Corinna Mühlstedt:
(Da ich nicht weiß, wie ich die Hintergründe einfärbe, färbe ich die Schrift ein.)

 

MAS

Am 20.01.2023 um 00:00

[…]

Weißt Du, ich habe drei Jahre meines Lebens ein Handwerk gelernt, dass ich hoffte und weiterhin hoffe, nie einsetzen zu müssen: das Kriegshandwerk. Das war Mitte der 1980er. Was in diesen drei Jahren wichtig war: Wir haben den potenziellen Feind, den Warschauer Pakt, nie als aktuellen Feind betrachtet. Ich hatte damals Verwandte in der DDR, gegen die ich nicht kämpfen wollte. So war ich sehr interessiert an einer Politik der Abrüstung. Als 1989/90 dann die Wende im Ostblock erfolgte, dachte ich: Geschafft! Die Politiker haben ihr Handwerk gut macht, damit wir Soldaten (ich war zu dem Zeitpunkt keiner mehr) das unsere nicht anwenden mussten. Ich fuhr 1990 mit meinem Bruder und dann nochmal mit meinem Vater in die DDR. Einmal fuhren wir an sowjetischen Soldaten vorbei, und sie winkten uns zu. Wunderbar! So hätte es gerne weiter gehen können!

Dass dann vieles schief lief, abgewickelt wurde, Menschen in ihrem eigenen Land ihre Heimat verloren, weil diese sich wandelte schneller als sie akkommodieren konnten, dass dann Nationalismus groß wurde in vielen ehemaligen Ostblockländern, dass einige ihr Heil in der NATO suchten, andere in der Unabhängigkeit und noch andere an einem engeren Schulterschluss mit Russland, das hatte ich nicht erwartet. Wobei ich selbst als NATO-Soldat und mit meinen Erfahrungen mit amerikanischen und französischen Kameraden in dieser Zeit, schon gut verstehen konnte, dass man da mit dabei sein wollte. Aber auch die Unabhängigkeitspartei konnte ich gut verstehen. Ich war sogar vor der Wiedervereinigung dafür, die DDR bliebe ein eigener Staat. Österreich ist ja auch ein eigener ehemals deutscher Staat (ich meine mit ehemalig deutsch nicht die Zeit zwischen 1939 und 1945, sondern die vor 1870), ohne dass es damit Probleme gibt.

Ich bin jedenfalls ein überzeugter Demokrat, ein Befürworter der Menschenrechte für alle Menschen der Welt. Und ich sehe eben das z.B. die derzeitigen Regierungen von Russland, der VR China und Irans diese nicht einhalten. Wer in diesen Ländern eine Meinung äußert, die gegen die der Regierung gerichtet ist, wird verhaftet, unter Umständen gefoltert und getötet. Deren Machtanspruch nachzugeben würde letztlich dazu führen, dass sie irgendwann die ganze Welt beherrschen. Dann könnten wir nicht mehr so einen Austausch führen, ohne dass der Geheimdienst mitliest und in Bälde auf der Matte steht. Wir hatten in der DDR, in Nazideutschland, aber auch im Deutschland nach dem Wiener Kongress schon, solche Zustände. Italien hatte solche Zustände auch unter Mussolini. Ich habe sie nie am eigenen Leib erlebt, zum Glück, und will sie auch nicht erleben und wünsche sie keinem Menschen.

Vielleicht verstehst Du mich jetzt besser?

Oder hat Norbert Bolz letztlich Recht, wenn er sagt, dass Menschen einander nicht verstehen können, aber sich gegenseitig respektieren sollen?

Liebe Grüße,
Michael

 

CM
Am 20.01.2023 um 23:52:

Guten Abend, Michael,

nun hab ich mir Zeit genommen, Dein nächtliches Mail noch einmal in Ruhe zu lesen. Danke für diese Einblicke in Dein Denken. Und ja: was Du schreibst, kann ich gut nachvollziehen. Als ich jung war, habe ich ähnlich gedacht. Aber heute lässt mich meine Lebenserfahrung manches etwas anders sehen.

Ich konnte etliche Länder mit Diktaturen bereisen - nicht nur als Tourist, sondern mit vielen privaten Kontakten - (u.a. China, Russland und den Iran), und ich kann mir durchaus ein Bild machen. Freilich musste ich nie länger dort leben und möchte es auch nicht. Aber ich habe auch gelernt, zwischen Regierung und Volk zu unterscheiden: Es sind immer wenige, die herrschen, und viele, die leiden, obgleich sie all das Unrecht nicht wollen. Ich habe auch viele Menschen kennen gelernt, die versuchen, ihre Länder behutsam zu verändern - mit mehr oder weniger Erfolg - aber in der Überzeugung, dass Gewalt keine Lösung ist, sondern nur das Leid aller vermehrt.

Von Kriegsüberlebenden - in meiner Familie und weit darüber hinaus - habe ich immer wieder gehört: Nie wieder Krieg! Meine Familie ist einst aus den Ostgebieten bzw. Berlin nach Bayern geflohen. Die einen vor der russischen Armee, die anderen vor alliierten Bomben. - Ich habe auch Freunde, die als Soldaten in Vietnam oder Algerien waren. Heute sind sie Mönche und sagen: Nie wieder Krieg! - Und das gilt meiner Ansicht nach in einer Welt, in der Atombomben ganze Kontinente zerstören können, mehr denn je.

Aus diesem Grund bin ich seit über 30 Jahren in der Friedensarbeit und lebe in der Hoffnung, dass es zwischen Welt-Diktatur und Krieg noch einen dritten Weg gibt, wenn sich nur genug Menschen intensiv um ihn bemühen. Naiv? Vielleicht. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit für die Menschheit. Und von noch etwas bin ich überzeugt: Aus menschlicher Kraft und Weisheit werden wir diesen Weg nicht finden, aber vielleicht mit Gottes Hilfe. Und in diesem Sinne verstehe ich auch die Arbeit von RfP.

Vielleicht kannst Du jetzt auch mich besser verstehen?
jedenfalls einmal mehr eine gute Nacht!
Corinna

 

*

 

Soweit nun also der zweiteilige interreligiöse Rundbrief 2023-1. Wer ihn bis hierher gelesen hat, hat etwas geleistet. Zum Teil 1 kam zwischendurch sogar schon ein Leserbrief, von dem ich aber noch nicht weiß, ob er zur Veröffentlichung gedacht oder nur an mich gerichtet ist. Wenn ersteres, kommt er entweder in einem Teil 3 oder im nächsten regulären Rundbrief.

Die Diskussion um den Krieg in der Ukraine ist damit noch nicht zu Ende. Lieb wäre es mir, der Krieg endete noch vor dem Ende der Diskussion. Das Thema ist ja übertragbar auf andere Kriege und Gewaltszenarien. Wie umgehen mit Diktaturen, denen es nur um Macht geht? Wie umgehen mit rücksichtslosen Unternehmern, denen es nur um Profit geht? Wie umgehen mit dem sprichwörtlichen bösen Nachbarn, der den Frömmsten nicht n Frieden leben lässt? Es ist ein ewiges Thema, so alt wie die Menschheit. Wie heißt es in einem Witz: Zwei Planeten begegnen sich. Sagt der eine: „Du siehst aber schlecht aus.“ „Ja“, sagt der andere, „ich habe Mensch.“ Darauf der erste: „Das geht vorbei.“ Der Witz passt vielleicht eher zum Klima-Thema. Aber mir kommt generell die Frage: Werden wir unsere großen Probleme erst los, wenn wir selbst nicht mehr sind? Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass wir doch eine Lösung finden, am liebsten nicht erst eschatologisch.

Und zunehmend wichtig in der durch viele Themen (Corona, Gender, Krieg und Frieden, Flucht und Migration, Klima, …) aufgeheizten Stimmung in unserer globalen Gesellschaft finde ich die Pflege einer Kultur des Dialogs und auch einer fairen Streitkultur, die von gegenseitigem Respekt der Gesprächspartner*innen geprägt ist. Letztlich ist doch niemand allwissend, sondern wir alle tasten an dem großen Elefanten herum und versuchen zu erkennen, was ein Elefant ist, ohne es letztlich zu wissen.

 

Herzliche Grüße, auch im Namen von Robin Pope und Corinna Mühlstedt,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

 

Und zum Schluss noch mal Hartmut Rosa:

 

„Was brauchen wir also in dieser Gesellschaft? Ich glaube, diese Gesellschaft braucht die Rückbesinnung auf genau diese Fähigkeit der Anrufbarkeit  und die Erfahrung der entsprechenden ergebnisoffenen Selbstwirksamkeit. Das funktioniert auf der einen Seite dispositional, das heißt, wenn ich fähig bin, aus dem Aggressionsmodus herauszutreten für einen Moment nicht zu fragen: ‚Was habe ich davon? Was kriege ich? Was will ich noch erreichen? Was kann ich kontrollieren? Was beherrsche ich? Was beherrsche ich nicht?‘ Vielleicht kann man sagen, es braucht ein Sich-nackt-Machen, man muss sich berührbar machen, und das heißt immer auch, sich verletzlich machen. Und das ist natürlich super riskant in einer Gesellschaft, die auf Konkurrenz basiert und aus Steigerung zielt. Jedenfalls brauche ich zunächst eine bestimmte Haltung, und die Haltung garantiert mir noch nicht, dass es dann tatsächlich zu Resonanz kommt. Ich brauche dafür auch die entsprechenden sozialen und materialen Räume.“[3]



[1] Hartmut Rosa. Demokratie braucht Religion. Über ein eigentümliches Resonanzverhältnis. Basierend auf einem Vortrag beim Würzburger Diözesanempfang 2022. München 4. Aufl. 2022 (Kösel), S. 56.

[2] Luther 1912, In: Bibel-Online, https://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/matthaeus/7/#1, geöffnet am 17.01.2023.

[3] Hartmut Rosa. Demokratie braucht Religion. A.a.O., S. 66f.