Montag, März 28, 2022

Interreligiöser Rundbrief ... Nr. 2022-2 (28.-03.2022)

Nachruf auf Rabbiner Tovia Ben-Chorin (1936-22.03.2022 cZ bzw. 5696-19. Adhar II 5728 jZ)

Liebe Mitglieder von Religions for Peace, liebe Freund*innen des interreligiösen Miteinanders,

 

gestern hatte ich mich sehr auf die Radiosendung „Diesseits von Eden“ gefreut, weil darin ein Interview mit Anna Karoline Brychcy von der Deutschen Buddhistischen Union über die Transformation von Rassismus aus buddhistischer Perspektive (ich hatte auf die gleichnamige Zoom-Veranstaltung letzten Donnerstag hingewiesen und daran teilgenommen) ausgestrahlt werden sollte. Das wurde es auch und war meines Erachtens sehr gut.

 

Auch ausgestrahlt wurde aber die Meldung vom Tode des Rabbiners Tovia Ben-Chorin (1936-22.03.2022 cZ bzw. 5696-19. Adhar II 5728 jZ). Diese Meldung traf mich sehr, da ich ihn kannte und sehr mochte. Und zwar kannte ich ihn von den „End of Life: Jewish Perspectives“-Tagungen in Bielefeld, Berlin und München, organisiert von Stephan Probst, Arzt in Bielefeld, den wiederum ich bei einer Exkursion mit meinen Studierenden zur Bielefelder Synagoge kennengerlernt hatte und woraus eine Freundschaft entstand.

Tovia Ben-Chorin erlebte ich als einen freundlichen, offenen, redegewandten, gerne singenden, tief denkenden und sehr humorvollen Menschen. Sein Humor zeigte sich zum Beispiel in dieser Geschichte: Die Sprecherin bei „Diesseits von Eden“ sagte, er sei oft mit Marcel Reich-Ranicki verwechselt worden. Ich habe ihn auch mal danach gefragt, ob ihm schon mal jemand gesagt habe, dass er ihm ähnlich sehe. Da erzählte er, eine Stewardess sei mal auf ihn zugekommen mit den Worten: „Herr Reich-Ranicki, darf ich Ihnen Wein einschenken?“, worauf er geantwortet habe: „Ich bin zwar nicht Marcel Reich-Ranicki, aber Sie dürften mit trotzdem Wein einschenken.“  Ein Kollege von mir sagte mal über Reich-Ranicki, er sei herzerfrischend. Das traf auf Tovia Ben-Chorin erst recht zu. Ich genoss sehr die Schabbat-Feiern mit ihm, wenn er nach dem Gottesdienst  beim Essen gar nicht aufhören wollte, zu singen. Es gibt eine große liturgische Freude am Schabbat, aber bei ihm war sie nicht nur liturgisch, sondern strahlte von innen heraus und steckte an.

Ich freute mich auch immer sehr, ihn zusammen mit seiner Frau Adina zu sehen und sagte ihnen auch mal, dass ich mir wünsche, mit meiner Frau auch in späten Jahren eine so liebe- und humorvoll Ehe zu führen.

Zuletzt traf ich ihn 2019 in Lindau auf der Weltversammlung von Religions for Peace, den Reden im Luitpoldpark lauschend und meinend, der interreligiöse Dialog brauche noch Zeit.

Die Zeit überlässt er nun uns, weitzumachen mit dem, woran er zeitlebens gearbeitet hat, an einem Miteinanderleben über die Grenzen hinweg, im einander Ernstnehmen und notfalls auch mal miteinander Tacheles zu reden.

 

Tovia Ben-Chorin am Samstag, 30.03.2019 in der Beth Schalom-Synagoge in München.
(2019.03.30Sa MAS CF M49-1395 IMG_9652)

 

 

Diesseits von Eden vom 27.03.2022:
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-diesseits-von-eden-ganze-sendung/audio-diesseits-von-eden-ganze-sendung--806.html

Sehr zu empfehlen ist der Nachruf seines Freundes Tom Kučera, Rabbiner in der Beth Schalom-Gemeinde in München:
Rabbiner Tom Kučera. Zum Tod von Rabbiner Tovia Ben Chorin. In: haGalil.com, Jüdisches Leben online:
https://www.hagalil.com/2022/03/tovia-ben-chorin/

Rabbiner Tovia Ben-Chorin ist tot. In: Jüdische Allgemeine, 28.03.2022:
https://www.juedische-allgemeine.de/religion/rabbiner-tovia-ben-chorin-ist-tot/

Tovia Ben-Chorin: In: Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tovia_Ben-Chorin

 

Herzliche Grüße,
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel
(Mo 28.03.2022)