Dienstag, März 27, 2018

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-01


Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2018-01 (27.03.2018)
Der Karfreitag ist nicht das Dunkel, das dem Licht unbedingt weichen muß. Es ist der Tag, an  dem der Mensch gewordene Gott, die Person gewordene Liebe umgebracht wird von den Menschen, die zu Göttern werden wollen.
              Dietrich Bonhoeffer (http://www.dietrich-bonhoeffer.net/zitat/id/96/; geöffnet am 27.3.2018)

Liebe Leserinnen und Leser,
meine interreligiösen Rundbriefe werden immer seltener, aber jetzt kam mir eben beim Hören eines Radiobeitrages ein spontanes Mitteilungs- und Nachfragebedürfnis:

Wie stehen Sie eigentlich zu den kirchlichen Feiertagen, insbesondere jetzt in der Karwoche zu Karfreitagsruhe? Wie stehen Sie dazu, dass am Karfreitag – im Detail nach Bundesland verschieden, aber generell dennoch – Tanz- und Musikveranstaltungen und auch Kino, Theater usw. der Würde des Tages angemessen sein müssen, auch wenn die, die solche Veranstaltungen veranstalten oder besuchen, gar keine Christ*innen sind, also den Karfreitag gar nicht begehen?

Es gibt weniger von nichtchristlich-religiöser als von nichtreligiös-humanistischer Seite her immer wieder Vorstöße, man solle diese staatliche Bevorzugung des Christentums und kirchlicher Feiertage abschaffen. Sie seien diskriminierend gegenüber Menschen, die damit nichts anzufangen wissen. Manche gehen noch weiter und wollen die Sonntage als allgemeine arbeitsfreie Tage abschaffen. Sie sagen, Christ*innen könnten sie ja feiern, wie sie es wollen, aber anderen dürfe man sie nicht aufzwingen.

Ich selber bin übers Jahr ein seltener Kirchgänger. Jetzt in der Karwoche ist das anders, da besuche ich von Palmsonntag bis zur Osternacht vier Gottesdienste, hauptsächlich römisch-katholisch, aber manchmal auch evangelisch. Ich denke anlässlich der Erinnerung an die Leiden Jesu an all die Leiden, die Menschen immer noch einander antun. Und an die Hoffnung, dass es eine Erlösung geben möge, sei es eine Auferstehung oder ein Verwehen, denn ich bin ja christlich und buddhistisch sehr beeinflusst in meiner Religiosität. Gestern noch bei einem IFN[1]-Treffen meinte Pfarrer Dirk Voos von der EMFA[2] – die wir gestern als 16. IFN-Mitglied aufnahmen – Religionen thematisierten ja allgemeine menschliche Themen, so dass auch Karfreitag nicht nur für Christ*innen ein möglicher Besinnungstag sein könnte. Nun brauche ich persönlich für meine Besinnlichkeit aber keinen allgemein ruhigen Feiertag, wenn auch die leereren Straßen an diesem Tag und die größere Stille in der Stadt meiner Besinnlichkeit guttun. Mich stört es aber nicht, wenn andere Menschen Musik machen oder hören oder ins Kino gehen oder so.

Anders ist es mit den Sonntagen. Ich bin ganz entschieden dagegen, Sonntage abzuschaffen! Zwar gehe ich kaum einmal sonntags in die Kirche, aber ich genieße die Ruhe auf den Straßen, denn wir wohnen an einer Hauptverkehrsstraße, und sonntags ist da spürbar weniger Verkehr, wenn nicht eine Großveranstaltung Autofahrer in die Stadt lockt. Und ich finde es vollkommen richtig, dass die meisten Geschäfte sonntags zu sind. Sollte die Ladenschlusszeiten „liberalisiert“ werden, würden doch nur die großen Geschäfte genug Personal haben, ihre Läden sonntags zu öffnen, während kleinere Betriebe sich das nicht leisten könnten. Es wäre also eine Wettbewerbsverzerrung. Denn jeder Mensch braucht Ruhe und Erholung, und ein gemeinsamer Ruhetag in der Woche tut Familien und auch Betrieben gut. Wir sind schon flexibilisiert oder liberalisiert genug im Dienste der Geschäftemacherei. Diese so genannte Liberalisierung würde letztlich Freiheit kosten.

Wir sind eine demokratische Gesellschaft, so dass letztlich das Volk mündiger Bürger entscheiden sollte. Das ist für mich klar. Aber einer Entscheidung gehen Argumente voraus, und ich argumentiere für eine Beibehaltung des Sonntags und eine lockerere Haltung, was den Karfreitag angeht. Oder anders gesagt: Geschäfte sollten zubleiben, Unterhaltungsveranstaltungen sollten am Karfreitag erlaubt sein, wo sie nicht eine Mehrheit von Menschen stören, die den Tag lieber ruhig und besinnlich begehen wollen. 

Und was meinen Sie? Leser*innenbriefe sind willkommen und werden gerne veröffentlicht.


Sonntag ist’s
ein heil’ger Frieden liegt auf Erden weit so weit,
Sonntag ist’s in allen Herzen,
Sonntag ist’s für alle Schmerzen
heil’ger Sonntag weit und breit.
                                    aus einem Kalenderblatt vor vielen Jahren

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung:
https://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedensnetzwerk für Bonn und Region:
https://ifn-bonnregion.jimdo.com/


[1] Interreligiöses Friedensnetzwerk Bonn und Region
[2] Evangelische Migrations- und Flüchtlingsarbeit