Dienstag, September 30, 2008

Sein letzter Sommer. Ferdi La Roche – ein Nachruf

Sein letzter Sommer.

Ferdi La Roche – ein Nachruf
15.11.1939 (oder so) - ??.09.2008

„Nächstes Jahr gibt es auch wieder einen Sommer“, hatte Ferdi noch zu einem Freund aus Hannover gesagt, als der meinte, dieses Jahr klappe der Umzug nach Köln nicht mehr.

Ja, es wird wohl einen Sommer geben im nächsten Jahr, aber keinen Sommer mit Ferdi.

Ein Freund ist tot. Und merkwürdigerweise weiß ich noch nicht, an welchem Tag er genau starb, im September 2008. Nachbarn stutzen, weil seine Zeitung noch im Briefkasten steckte und trotz Regen das Fenster offen stand. Die Polizei öffnete die Wohnung. Ferdi hatte einen Schlaganfall gehabt und starb anschließend im Krankenhaus. Er hatte allein gelebt, geschieden, mit nur wenig Kontakt zu Kindern und Enkeln. Ich hatte seit ein paar Tagen vergeblich versucht, ihn zu erreichen und ließ es mir dann von einer Nachbarin berichten.

Nun war er nicht nur mein Freund, sondern eine Person der Öffentlichkeit, nicht wenige Leserinnen und Leser des Folkigen und des Interreligiösen Rundbriefes kannten ihn, so dass ein Nachruf in diesem Rahmen gerechtfertigt ist.

Gelegentlich nahm er am Schweigen für Frieden und Gerechtigkeit und am Interreligiösen Gesprächskreis in Bonn teil. Gerne besuchte er Folk-Konzerte, liebte besonders die Lokal Heroes, Le Clou und Till Nine und auch Sahara. Er stellte für Religions for Peace Köln/Bonn und für das Internetportal für Folk- und Weltmusik in Bonn, Rhein-Sieg und Umgebung kostenlos Platz im Internet zur Verfügung und betreute die Seiten zusammen mit mir. Ab und zu schrieb er auch eine Konzertrezension.

Seine Hauptleidenschaft aber war eine andere, und über diese Gemeinsamkeit lernte ich ihn auch im Mai 1999 kennen: Das Röcketragen und der Kampf um die Emanzipation der Männer vom selbstverschuldeten Hosenzwang. Auch wer ihn nicht persönlich kannte, dem fiel er im Straßenbild auf, wenn er im Sommer mit kurzen Röcken durch Bonn, Sankt Augustin oder Siegburg ging oder radelte. Zahlreichen Männern deutschlandweit oder gar weltweit, die den Hosenzwang leid waren, machte er Mut und ging ihnen als Vorbild voraus und zeigte, dass „die Leute“ gar nicht so intolerant sind, wie man oft meint. Manchmal schimpfte er gewaltig über Frauen, die meinen, Emanzipation sei nur für sie da, aber er war kein Frauenfeind. Nur war eben sein Wahlspruch: „Emanzipation ist keine Einbahnstraße.“
Manche Leute lächelten über seine kurzen Röcke, aber da stand er drüber. Sie waren viel mehr Ausdruck eines unbändigen Freiheitsdranges und einer ungebrochenen Lebensfreude. Freiheit war sein großes Thema, auch schon als er als junger Mann CB-Funk betrieb und einen Piratensender installierte.
Und er liebte den Sommer. Nicht, dass er wie ich im Winter Hosen trug, nein, da trug er lange Röcke, aber der Sommer war seine Jahreszeit. Sobald die ersten Frühlingssonnenstrahlen etwas Wärme ins Rheinland schickten, war er draußen unterwegs und zeigte den Männern, wie man das Leben jenseits gängiger Männlichkeitsklischees genießen kann. Die Anzugträger nannte er gerne „Pinguine“, war zu ihnen aber genau so freundlich wie zu jedem. Sein Selbstbewusstein strahlte aus und zeigte den Menschen: Der steht zu dem, was er tut.

Außer im „realen Leben“ war Ferdi sehr präsent im Internet. Zwei Männerrockforen betreute er mit, in zahlreichen anderen diskutierte er eifrig. Doch ich bin froh, dass ich ihn persönlich kannte, denn das Internet repräsentiert nur einen kleinen Teil eines Menschen. Und doch lohnt sich ein Blick auf seine Homepage: http://freenet-homepage.de/skirtman144/index.html.

Was er gar nicht mochte, war Streit zwischen Freunden. Im August gab es Streit, in den er nicht involviert war, der ihm aber nahe ging. Die Aussöhnung erlebte er nicht mehr oder vielmehr, er forcierte sie durch seinen Tod. Rocktragende Männer sind genau so wenig Heilige wie hosentragende. Ferdi war auch kein Heiliger und wollte auch nie einer sein, auch kein Männerrockpapst oder Botschafter der deutschen Männerrockbewegung, wie er manchmal genannt wurde. Er wollte nur ein Mensch sein, ein freier Mensch in einer freien Welt. Ich hoffe, er hat jetzt mehr Freiheit als er sich je zu erträumen wagte und einen ewigen Sommer!

Ich schließe mit einem Witz, über den Ferdi sicher herzlich gelacht hätte, und den meine Frau Petra gestern brachte: Wenn Ferdi jetzt da oben im Himmel ist, muss er aufpassen, dass ihm niemand unter den Rock schaut.


Michael A. Schmiedel, 30.9.2008