Freitag, Mai 13, 2022

Interreligiöser Rundbrief [...] Nr. 2022-3 (13.05.2022)

 

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2022-3

(13.05.2022)

Einen großen Krieger du suchst? Kriege machen niemanden groß!                                                                                                                                                                                        Meister Yoda[1]

Nicht sicher ich mir bin, ob überhaupt gewinnen einen Krieg jemand kann. Dadurch, dass gekämpft wir haben, Blut vergossen wurde, bereits verloren wir haben.

Meister Yoda[2]

 

 

Liebe Leser*innen des interreligiösen Rundbriefes,

neulich war ich mit einem Freund in einer Vorstellung von „Star Wars in Concert“. Dabei wurde der Film „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ gezeigt, wobei die Filmmusik von einem Orchester live gespielt wurde, das unter der Leinwand saß. Es gab auch Gewandete in Kostümen des Films, zum Beispiel Sturmtruppen, Darth Vader und der Imperator höchst persönlich, die im Publikum für Fotos zur Verfügung standen. Es soll ja Leute geben, die die Star-Wars-Filme nicht kennen, so dass ich zu diesem Film der Serie ganz kurz erkläre: Das Imperium schickt sich an, das ganz Universum zu beherrschen, aber einige Rebellen leisten Widerstand. Unter ihnen auch Luke Skywalker, der letzte der Jedi-Ritter, einem alten Ritterorden, deren Mitglieder für das Gute gegen das Böse kämpfen und dazu eine intensive Ausbildung durchmachen. Ein wichtiger Ausbilder der Jedi ist der oben zitierte Meister Yoda. Der höchste Mitarbeiter des Imperators ist auch ehemaliger Jedi, der sich jedoch auf die dunkle Seite der Macht hat ziehen lassen, Darth Vader, ehedem Anakin Skywalker, Lukes Vater. In diesem Film gibt es eine Szene, in welcher Luke sich dem Imperator und Darth Vader stellt, um seinen Vater wieder auf die gute Seite zurückzuholen. Der Imperator zeigt ihm, dass die Rebellion verloren hat und Luke gut daran täte, seinen Widerstand aufzugeben und auf die dunkle Seite zu kommen. Er provoziert ihn, will Lukes Hass auf sich lenken, denn, so weiß er, sobald jemand seinem Hass freien Lauf lässt, hat die dunkle Seite ihn für sich gewonnen. Tatsächlich greift Luke zu seinem Lichtschwert, Darth Vader wirft sich dazwischen, um den Imperator zu schützen, es kommt zu einem heftigen Zweikampf, in welchem Luke seinen Vater entwaffnet und ihm die Schwerthand abtrennt. Der Imperator fordert nun Luke auf, Darth Vader zu töten und dann seinen Platz einzunehmen. Luke aber steckt sein Schwert ein, besiegt also seinen Hass und liebt ja auch trotz allem seinen Vater. Daraufhin beschließt der Imperator, Luke zu töten, der wiederum unter Stromstößen dem Tode nahe, seinen Vater um Hilfe fleht. Der beobachtet die Szene, es arbeitet in ihm, bis er schließlich auf den Imperator zugeht, ihn hochhebt und in einen tiefen Schacht des Todessterns, auf dem die Szene spielt, wirft, wodurch dieser umkommt. Anakin Skywalker hat den Darth Vader in sich besiegt und ist zur guten Seite zurückgekehrt, stirbt dann aber, indes friedlich in den Armen seines Sohnes. Die Rebellion hat dann letztlich auch Erfolg und der Krieg ist (vorläufig) beendet.



Star Wars in Concert in der Lanxess-Arena in Köln am 28.4.2022
Foto: Schmiedel, 2022.04.28Do MAS SD M472-295 DSC00191

 

Ich kenne diesen Film seit 1983, und auch die anderen Filme dieser Reihe, wenn auch nicht alles, was rund um Star Wars erschienen ist. Jedenfalls erscheint mir die Jedi-Ethik, für das Gute zu kämpfen, wenn es notwendig ist, aber friedlich zu leben, wenn der Frieden nicht bedroht ist, und dabei sowohl die Angst, als auch den Hass in einem harten Training zu überwinden, als eine vorbildliche Haltung.

Ihr ahnt/Sie ahnen es schon: Wir befinden uns eigentlich in einer ganz ähnlichen Situation. Es gibt einen Imperator, der mit Krieg seine Herrschaft ausbauen will. Es gibt Widerstand dagegen, gewissermaßen Rebellen gegen diesen Machtanspruch. Nur fehlen die Jedi-Ritter. Und wie in dieser Filmreihe, gibt es Politiker, die versuchen, den richtigen Weg zu finden, ohne zu viel Risiko eingehen zu müssen.



 

Deutsche, ukrainische und europäische Flagge auf dem Campus der Universität Bielefeld.
Foto: Schmiedel, 2022.04.20Mi MAS SD M470-85 DSC09221

Nun gibt es eine ethische Grundsatzdiskussion von der Ihr/Sie alle sicher gehört habt/haben. Es geht um die Frage, ob es besser ist, Putins Machtgelüsten nachzugeben, um das Leben der Ukrainer zu retten oder sich militärisch zu wehren, um die Freiheit der Ukraine und anderer Länder zu sichern. Die Befürworter der erstgenannten Taktik möchten Putin indes nicht alles überlassen, sondern einen Waffenstillstand herbeiführen, mit dem Putin und die Ukrainer*innen leben können. Sie vertrauen darauf, dass das möglich ist, dass Putin sich dann auch daranhalten wird. Die Befürworter der zweitgenannten Taktik sehen die Gefahr, dass Putin ein Waffenstillstandsabkommen brechen und seine Eroberungen fortsetzen wird, auch über die Ukraine hinaus. Beide Seiten befürchten zudem einen Atomkrieg, erstere, wenn man Putin weiter Widerstand leistet, letztere, wenn man ihn nicht rechtzeitig ausschaltet. Ja das Ausschalten Putins oder die Zermürbung Russlands sind über die reine Verteidigung und Befreiung der Ukraine hinaus schon als Kriegsziele genannt worden.

Diese Diskussionen kann man im Fernsehen verfolgen. Ich verfolgte sie aber auch in interreligiösen Gesprächen via Zoom oder E-Mail-Listen. Ich merkte dabei, dass christliche, buddhistische und muslimische Positionen sehr pazifistisch formuliert wurden. Der Buddha habe die Landesverteidigung nicht erlaubt, ließ ich mir von Vertretern der Deutschen Buddhistischen Union sagen. Ich meinte, eine Stelle im Pali-Kanon in Erinnerung zu haben, in welcher er aber genau das tat, aber finde sie nicht. Vielleicht habe ich sie falsch in Erinnerung. Jesus habe die andere Wange hingehalten, las ich von einer Christin. Ein anderer Christ forderte dazu auf, den öffentlichen Brief an Bundeskanzler Scholz zu unterschreiben, der ihn ersucht, jede Waffenlieferung an die Ukraine zu unterlassen, da diese den Krieg und damit das Leid nur verlängere und den Atomkrieg provoziere. Und ein muslimischer Freund schrieb, er würde, wenn er so überfallen würde, dem Angreifer sagen, er solle sein Land nehmen, ihn zum Untertan machen, aber sein Leben und sein Haus schonen.   



 

Ukrainische Flaggen mit der Aufschrift „Refugees Welcome“ am Haus des Evangelischen Kirchenkreises in Bielefeld. Foto: Schmiedel, 2022.04.26Di MAS SD M472-52 DSC09946

Es gibt so viele Experten inzwischen, von denen jeder genau weiß, was zu tun ist, auch wenn sie darin ganz unterschiedliche Vorstellungen haben. Ähnlich war es auch schon beim Corona-Thema. Ich bin da kein Experte, sondern nur ein Mensch, der oft nicht weiß, wo ihm bei diesen Themen der Kopf steht.

Vom Herzen her bin ich Pazifist. Ich wünsche mir Frieden und weiß, dass man diesen nicht mit Waffengewalt herstellen kann, sondern nur mit beharrlichem Arbeiten an sich selbst, auch in brenzligen Situationen friedlich zu bleiben, innerlich und äußerlich. Ich meine aber, es gibt Situationen, in denen kostet das Friedlichbleiben unter Umständen anderes, was einem wertvoll ist, zum Beispiel die Freiheit. Es gibt Menschen, die kann man mit friedlichen Mitteln nicht aufhalten in ihrem Streben nach Macht. Das Britische Imperium hatte sich durch Gandhis Widerstand, der frei von physischer Gewalt war, beeindrucken lassen. Nun waren es aber auch noch andere Gründe, die die Briten dazu brachten, nach und nach ihre Kolonien in die Unabhängigkeit zu entlassen. Die chinesische Regierung jedenfalls lässt sich durch die Friedfertigkeit des Dalai Lama nicht beeindrucken. Man muss immer die genaue Situation betrachten, um zu entscheiden, welche Mittel der Reaktion auf Gewalt wirksam sein können.

Wenn wir nun unsere Meinung über die Frage, wie wir mit Putins Aggression umgehen sollen – abgesehen davon, dass wir die Entscheidungen, ob Waffen geliefert werden oder nicht, gar nicht fällen, sondern dazu Politiker*innen gewählt haben, die diese Entscheidung für uns treffen – dann sollten wir überlegen, welche Ziele wir damit verfolgen und welche Opfer wir bereit sind, dafür auf uns zu nehmen. Wir befinden uns im Dilemma, dass jede Entscheidung zur noch größeren Katastrophe führen kann, als wir sie zur Zeit schon haben, als da wären ein Einsatz von atomaren, chemischen oder biologischen Waffen, sei dieser kleinräumig oder global, eine Ausdehnung von Putins Herrschaft und ein Ende unserer Demokratie oder eine erneute Zementierung von Grenzen wie vor 1989 zwischen zwei verfeindeten Blöcken. Letzteres erscheint mir von diesen drei Möglichkeiten die am wenigsten schlimme, wenngleich ich damals heilfroh war, als sie vorbei war.

Wichtig ist natürlich auch für jede*n einzelne*n, welche Haltung man selbst in sich kultivieren will, einen radikalen Pazifismus, der jedes Sichwehren ablehnt, eine radikale Verteidigungsbereitschaft, die jedes Bevormundetwerden ablehnt, ein kluges Taktieren, das aber leicht zu Opportunismus führen kann und eben auch die Gefahr unkluger Irrtümer beinhaltet? Oder vielleicht eine Ethik wie die der Jedis, die aus innerem Frieden heraus weiß, dass Waffen keinen Frieden herbeiführen können, aber bisweilen vorläufig zum Einsatz kommen müssen?

Ich schließe diesen Rundbrief mit noch einem Zitat von Meister Yoda und überlasse ansonsten alle Entscheidungen der Weisheit und dem Mitgefühl eines*einer jeden von uns, bei allem Risiko, falsch zu entscheiden.


Möge die Macht mit Euch sein!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.
                                                                                                                      Meister Yoda
[3]

 

Noch ein paar Links zu interessanten Seiten:

Zu Star Wars:

Star Wars in Concert: A New Hope - Opening (Köln, 19.04.2018). In: Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=3sk0o38TLSk

STAR WARS in Concert: Die Rückkehr der Jedi-Ritter | Tour 2022. In: Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=naMlXBbdw_0

Stars Wars hat viele biblische Parallelen. (Fast) alles in der Bibel geklaut? 04.05.2022. In: Domradio: https://www.domradio.de/artikel/stars-wars-hat-viele-biblische-parallelen?_gb_c=90FEEDB5F6B84AB78C480C48DD3B0D5B&gb_clk=9-20220504093136-22873765-0-80259  

Religionswissenschaft Star Wars: Wie viel echte Religion steckt im Jedi-Orden? Stand: 08. Mai 2022, 05:00 Uhr. In: MDR: https://www.mdr.de/wissen/jediismus-jedi-orden-star-wars-echte-religion-einfluesse-100.html

Jedi Church: https://www.jedichurch.org/
(Nein, ich bin kein Mitglied dieser Religionsgemeinschaft)

Jediismus. In: Wikipedia, https://en.wikipedia.org/wiki/Jediism

 

Zum Krieg in der Ukraine:

Sebastian Rimestad. The Orthodox Church and the War in Ukraine. In: Globalization Dynamics. Blog of the Leipzig Research Centre Global Dynamics. 8./20.3.2022: https://recentglobe.hypotheses.org/1303

Christiane Florin. Entscheidungen in KriegszeitenEthiker Dabrock: Politik muss die Zivilgesellschaft mitnehmen. In: Deutschlandfunk. Tag für Tag, aus Religion und Gesellschaft, Florin, Christiane | 03. Mai 2022, 09:36 Uhr: https://www.deutschlandfunk.de/krieg-angst-eskalation-ethiker-peter-dabrock-ueber-gute-entscheidungsfindung-dlf-6ef37e12-100.html  

Markus Lanz vom 5. Mai 2022. Zu Gast: Politiker Hubertus Heil, Journalistin Golineh Atai, Politologe Wolfgang Merkel und Zukunftsforscher Matthias Horx. In: ZDF, Markus Lanz:
https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-5-mai-2022-102.html

Hubertus Heil, Politiker
Der Bundesarbeitsminister (SPD) äußert sich zu den Waffenlieferungen an die Ukraine, dem Agieren von Kanzler Scholz und zur Debatte um Energie-Embargos gegen Russland.
Golineh Atai, Journalistin
Die Russlandexpertin spricht über den gesellschaftlichen und politischen Wandel der ehemaligen Sowjetunion unter der Präsidentschaft Putins.
Wolfgang Merkel, Politologe
Er gehört zu den Unterzeichnern eines von Alice Schwarzer initiierten offenen Briefes an Olaf Scholz, als Protest gegen den Kurs der Bundesregierung während des Ukraine-Krieges.

Matthias Horx, Zukunftsforscher
Für die Zeit nach dem Krieg in Osteuropa hat er ein Gedankenspiel entwickelt und skizziert verschiedene Zukunftsszenarien für die Ukraine, Russland und die europäische Friedensordnung.
https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-5-mai-2022-102.html

Gegen die Waffenlieferung an die Ukraine:
Offener Brief an Bundeskanzler Scholz. In: Change.org
https://www.change.org/p/offener-brief-an-bundeskanzler-scholz?recruiter=888716100&utm_source=share_petition&utm_medium=email&utm_campaign=psf_combo_share_initial&utm_term=0ddb524131ab4b5b8f482573ffdea0ea&recruited_by_id=6f7003d0-8550-11e8-b298-59a077a35d10

Für die Waffenlieferung an die Ukraine:
Waffenlieferung an die Ukraine. Offener Brief. In: Die Zeit, 4.
Mail 2022:
 
https://www.zeit.de/2022/19/waffenlieferung-ukraine-offener-brief-olaf-scholz

Team der GEBETe der Religionen Bonn/Rhein-Sieg. GEBETe der Religionen für den Frieden am Mo18 04 2022. In: Youtube, https://www.youtube.com/watch?v=-64pKegg0qI&t=1421s

(Alle Seiten geöffnet am 13.05.2022.)

 



 

Friedenstaube auf ukrainischer Flagge in einem Schaukasten auf dem Siegburger Nordfriedhof. Foto: Schmiedel, 2022.05.08So MAS CF M83-nnn _MG_5292

 

(Geschrieben am 06.05.2022, mit Fotos und Links versehen am 13.05.2022 zu Hause in Siegburg.)

interreligioeser-rundbrief.blogspot.com

 



[1] Zitat aus dem Film „Star Wars: Episode V - Das Imperium schlägt zurück“ - Gefunden auf: https://www.myzitate.de/yoda/ (geöffnet am 12.05.2022).

[2] Zitat aus dem Film „Star Wars: The Clone Wars, Staffel 6 Episode 13“ - Gefunden auf: https://www.myzitate.de/yoda/ (geöffnet am 12.05.2022).

[3] Zitat aus dem Film „Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung“, Gefunden auf: https://www.myzitate.de/yoda/ (geöffnet am 06.05.2022)