Samstag, April 07, 2018

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-01 – noch mehr Leserbriefe (07.04.2018)


Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2018-01 – noch mehr Leserbriefe (07.04.2018)

Liebe Leserinnen und Leser,

im Interreligiösen Rundbrief Nr. 2018-01 vom 27.03.2018 fragte ich nach Ihren Meinungen zur Karfreitags- und zur Sonntagsruhe beziehungsweise zu den Forderungen nach deren Abschaffung.

Dazu habe ich am 30.3. sieben Leser*innenbriefe weiter rund geschickt, und nun kommen noch zwei dazu:

8.
Lieber Michael - Dank dir für deine unentwegte Mühe.
Durch deinen Brief bleibt eine alte Verbindung bestehen.
Das ist sehr schön.
Das Thema ist interessant, auch sind es die Kommentare.
Die allgültige christliche Ordnung ist verloren gegangen.
Zurückholen geht nicht, weil sie allgemein heute unbekannt.
Das Vaterunser bedarf eines Denkmalschutzes, damit es
irgendwo bleibt und nicht endgültig verloren geht.
Den Menschen, in deren Bewusstsein es nicht mehr enthalten ist,
sollte man mit Verständnis begegnen, damit sie sich verstanden fühlen.
Nur so erleben sie die Liebe, die im Christentum zuhause ist.
Das rettet!
Dir und Petra frohe Ostern - Hildegard und Klaus“

(von Hildegard und Klaus Wansleben aus Berlin)

9.
„Lieber Herr Schmiedel,

über Ihren Brief habe ich mich sehr gefreut und danke dem IRRT in Mülheim einmal mehr, dass er mit seiner Veranstaltung diesen Kontakt gestiftet hat. Sie sollten und werden mit Ihrem Umfeld sicher nicht nachlassen, das immer virulente Projekt interreligiöser Verständigung hochzuhalten.

Nichts anderes will unser Kölner Buch. Es geht seinen Weg. Fast die Hälfte der Auflage ist abgeschmolzen. D.h. aber auch, dass noch knapp 7000 Bücher ihre Leser*innen suchen. Angesichts der anschwellenden interreligiösen Spannungen, die von verantwortungslosen Wortführern künstlich geschürt werden, wird es täglich wichtiger, die Position von mindestens Toleranz und möglichst freundlichem Interesse zu behaupten. Es beunruhigt mich sehr, wie schnell teuer herbeigelittene Errungenschaften wieder in Gefahr geraten. Die Flüchtlingsfrage ist dabei nicht Auslöser, sondern willkommener Anlass, latente Borniertheit im öffentlichen Raum vorzutragen und sich dabei als Vollstrecker des Mehrheitswillens zu fühlen. Dem muss man deutlich entgegentreten, und unser Buch (das ja auch Ihres ist) kann da ein wichtiges Zeichen setzen. Das erlebe ich an den vielen Rückmeldungen, die mich erreichen.

Nachdem die erste Welle über Presse und Fernsehen gelaufen ist, wenden wir uns jetzt gezielt an Gruppen und Persönlichkeiten, die als Multiplikatoren infrage kommen. So könnten Transplantate entstehen, die zusammenwachsen und dem Anliegen des Buches eine Hebelwirkung verschaffen. Wenn Sie in dieser Richtung Ideen haben, her damit! Wir werden sie gern aufgreifen.
Ihren Rundbrief zur Karfreitagsfrage und der Schweif an Leserbriefen, den er ausgelöst hat, habe ich mit großem Interesse gelesen. Man erlebt, wie nahe sich Menschen guten Willens sind, obwohl sie ganz unterschiedliche Blickwinkel haben. – Ich habe auch einen.

In Nr. 4 klagt der Schreiber: „Der christliche Glaube verliert immer mehr an Bedeutung, leere Kirchen, Kirchenaustritte, Leben unter Missachtung der zehn Gebote, zunehmender Materialismus, Egoismus und Nihilismus.“ – Vielleicht bin ich anders verschaltet oder geprägt, aber solche Klagen lösen bei mir den gegenteiligen Reflex aus. Für mich sind sie Zeichen dafür, dass der christliche Glaube immer mehr an Bedeutung gewinnt. Waren christliche Positionen zum Krieg, zum Hass, zur Inhumanität, zur Zerstörung der Schöpfung nicht immer schon Störfall? Und waren nicht oft die eher kleinen Gruppen und Einzelnen die umgestaltende Kraft? – Die Mitgliedschaft in einer Kirche ist nachrangig. Oft waren dort die größten Hindernisse. Und mein Kirchenbegriff ist weit größer als die konfessionelle Organisation. Er umfasst für mich alle Menschen guten Willens. Und das sind Viele, vielleicht mehr denn je, auch wenn den anderen die Schlagzeilen gehören. – (In der beiliegenden Ballade habe ich einmal versucht, das zum Ausdruck zu bringen.)

Als Christ könnte ich relativ gut ertragen, wenn Nichtchristen die Ruhe und Würde meines Feiertags stören. Offenbar stört sie ja mein Feiertag, und so nehmen sie ihn unfreiwillig wichtig. Oder sie ignorieren ihn unwissend und ahnungslos. Dann geht es mich eigentlich nichts an.
Wenn ich aber als Staatsbürger spreche, als Mitglied einer offenen und humanen Gesellschaft, dann argumentiere und kämpfe ich gern für den Respekt gegenüber den Traditionen kleiner und großer Gruppen. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, wo dieser Respekt verdunstet. Ohne höfliche Umgangsformen würde das Zusammenleben zur Qual und letztlich in Gemeinheiten zerfallen. Höflichkeit ist ein wichtiges Ritual, das im überbevölkerten Gedränge die ständigen Verletzungen der persönlichen Hoheitszone abfedert. Es ist wie mit dem schwierigen Phänomen der Blasphemie. Als Christ betrifft es mich gar nicht, wenn irgendwer meint, mir heilige Dinge verspotten zu müssen. Ich will aber nicht in einer Gesellschaft leben, wo jeder jederzeit auf den Gefühlen seiner Nachbarn herumtrampelt. Das sage ich dann als Staatsbürger und nicht als Christ. Und es begegnen mir wenige, die dann für eine wölfische Gesellschaft plädieren.

Ich erinnere mich: Vor Jahren zeigte man bei der Kölner Stunksitzung ein Kruzifix mit der Aufschrift „Tünnes“. Es gab wilden Protest, und wir diskutierten auch in der Redaktion darüber. Uns wurde klar, dass die Verspottung des Gekreuzigten sehr genau dem Sinn der Kreuzigung entsprach. Auch Jesus wurde mit Dornenkrone und Purpurmantel verspottet. Aber ebenso klar wurde uns, dass hier eine soziale Grenze überschritten wurde. Würden wir zum Beispiel das Bild eines im Stacheldraht des KZs verendeten Häftlings oder das Bild unserer sterbenden Mutter dem bierseligen Gewieher einer Karnevalsgesellschaft preisgeben? Und wäre das eine Gesellschaft, in der wir leben möchten? Wir würden doch aufstehen und im heftigen Diskurs dagegenhalten, sogar mehrheitsfähig.
Lieber Herr Schmiedel, ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest

Ulrich Harbecke“

Und hier gibt es noch ein Gedicht von ihm, das er seinem Leserbrief anhängte:


Friedensgruß

Alltagsmesse, wie man‘s kennt,
am frühen Abend im Advent,
(Ich glaub, die dritte Kerze brennt.)
Wie sich‘s gehört in jedem Jahr,
steht schon die leere Krippe da.

Der Pfarrer hebt den Blick nur kaum,
schaut glasig in den Kirchenraum
sagt routiniert und blass und weich:
„Der Friede sei mit euch!“
Und dann, man möge sich mal eben
ein Zeichen dieses Friedens geben.

Vermutlich hat er nicht gesehn:
Der fromme Wunsch ist unbequem.
Man würd‘ ja gern und blickt umher,
doch ringsum ist fast niemand mehr.
Drei Bänke weiter und am Ende
schaut auch noch einer auf die Hände
und ebenfalls verwirrt und stumm
sucht ratlos um sich selbst herum.
Nun gut, man fasst sich halt ein Herz
und strebt hinüber, nächstenwärts,
gibt ihm die Hand, wie man’s halt tut,
und so geht es für diesmal gut.
Doch fragt man sich nicht ohne Sorgen:
Was wäre, wenn vielleicht schon morgen
man absolut der Letzte wäre?
Dann geht der Friedensgruß ins Leere.
Vergeblich irrst du dann umher,
rufst zaghaft: „Hallo, ist da wer?“
Suchst hinter Pfeilern, in den Ecken,
schaust dich auf der Empore um.
Auch da ist niemand zu entdecken.
Alles ist stumm.

Nur seltsam, hinterm Kirchentor
ist ein Geräusch. Da geht was vor.
Du staunst, drückst scheu die Klinke nieder
und sieh! Die Erde hat dich wieder!
Dort in der Straße strömen Leute
als Männer, Frauen, Kinder, Greise,
die einen lärmend, andre leise,
die ganze bunte Menschenmeute.
Sie schlendern, rennen, rufen, lachen.
Du siehst sie tausend Dinge machen.

Der Schein von bunten Weihnachtslichtern

malt sich auf Tüten und Gesichtern.
Dort zeigt sich Freude, Hoffnung, Leid
und manch versteckte Traurigkeit.
Sie geh‘n im Zeitspalt ihres Lebens
mit Träumen, Wünschen, oft vergebens,
von Schicksalsschlägen hart bedrängt,
von greller Werbung eingeengt,
verlockt, getrieben und zumeist
mit Surrogaten abgespeist,
von kalten Bänkern schlau betrogen
und von den Mächtigen belogen,
gejagt im Teufelstakt der Uhren,
im Tanz der Geister und Lemuren.
Und Weihnachtsmänner wie zum Hohne
erklettern Fenster und Balkone.
Im Rauschgold sieht man Engel baden
und „Stille Nacht“ aus jedem Laden
ist nirgendwo zu überhören,
denn nirgendwo darf Stille stören…

Gerade naht sich eine Frau,
ihr Antlitz müde, leer und grau.
Du fühlst ein heimliches Erbarmen
und möchtest sie ganz zart umarmen.
Du fragst dich: Was hat sie gesucht
und was hat sie vielleicht gefunden?
Ist da Enttäuschung, Not und Flucht,
und gibt es nie verheilte Wunden?
Verlor sie ihres Lebens Mitte?
Wer zählt die Taten, lenkt die Schritte?
Geht sie vielleicht getrost nach Haus,
erwarten sie dort schwere Sorgen,
und wie sieht ihre Zukunft aus?
Hat dieser Tag für sie ein Morgen?

Da schwillt dein Herz. Du gehst zu ihr
und gibst ganz einfach, unbekannt,
ihr freundlich lächelnd deine Hand
und sagst: „Der Friede sei mit dir!“

Ulrich Harbecke


(von Ulrich Harbecke aus Euskirchen)

Ulrich Harbecke ist der Autor des Kölner Buches der Religionen, das man für 10 € z.B. im Domforum in Köln erwerben kann: http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/soziales/diversity/das-koelner-buch-der-religionen.  

Ich nehme an, das war es nun an Leserbriefen zu diesem Thema. Ich finde es spannend zu lesen, aus wie vielen verschiedenen Perspektiven Sie geschrieben haben. Ich werde mir die Briefe nochmal zu Gemüte führen und dann dazu auch noch etwas schreiben. Das kann jetzt aber wieder etwas dauern.

Wenn Sie über Feiertage der Religionen informiert sein wollen, empfehle ich den Kalender von Religions for Peace. Ich habe auch noch ein paar 2018er vorrätig, die ich für 7 € abgeben kann. Das Hauptthema ist neben dem Kalendarium „Tierische Symbole in den Religionen“:
http://www.rfp-regensburg.de/kalender.html. Melden Sie sich bei Bedarf bei mir. 

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung
http://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedennetzwerk Bonn und Region
https://ifn-bonnregion.jimdo.com/
Und wer Lust auf meinen Irland-Reise-2017-Bericht hat:
http://www.rockmode.de/index.php?topic=6577.msg102451#msg102451  (ein Spaziergang in Doolin zum Hafen und der erste Abend in Doolin)